Sternengeschichten Folge 683: Mondbeben
Der Mond schwingt wie eine Glocke Sternengeschichten Folge 683: Mondbeben Der Mond ist im Inneren in Wahrheit hohl! Und dort leben komische, gefährliche Mondwesen! Der Mond ist hohl und eine Maschine, die von Aliens gebaut worden ist! Und bevor jetzt jemand verwirrt ist: Natürlich stimmt weder das eine noch das andere. Die erste Aussage stammt aus dem Buch "Die ersten Menschen auf dem Mond" des Science Fiction Autors H.G. Wells. Und die zweite Aussagen kommt von ein paar sowjetischen Wissenschaftlern aus den 1970er Jahren. Aber es gibt auch heute noch Menschen, die daran glauben, dass der Mond hohl ist und egal was sie sich dabei vorstellen, begründen sie ihre Behauptungen oft mit dem, was im Rahmen der Apollo-Missionen über das Innere des Mondes gesagt worden ist. Da hat man nämlich nicht nur einfach versucht, den Mond zu erreichen und auf seiner Oberfläche herum zu laufen. Man hat auch wissenschaftliche Forschung betrieben und die hat auch mit dem zu tun, was unter der Oberfläche passiert. Dass der Mond nicht hohl ist, hat man da natürlich auch schon gewusst. Aber man wollte wissen, wie das Innere der Mondes aufgebaut ist und man hat dafür die selben Instrumente eingesetzt wie auf der Erde. Nämlich Seismometer, die Erdbebenwellen messen können. Nur dass es in diesem Fall eben keine Erdbeben sind, sondern natürlich Mondbeben. Ich komme später nochmal kurz auf die Verschwörungstheorien zum hohlen Mond zurück. Zuerst schauen wir uns aber an, was die sehr viel spannendere Wissenschaft zu sagen hat. Ich habe in Folge 143 schon einmal davon erzählt, wie man Erdbeben nutzen kann, um mehr über das ansonsten unzugängliche Erdinnere erfahren kann. Es gibt unterschiedliche Arten von Wellen, die sich im Gestein auf unterschiedliche Weise ausbreiten können. Man kann messen, wie lange sie dafür brauchen und man kann messen, wo Erdbebenwellen überall registriert werden können. Wenn sie auf dem Weg durch die Erde verschiedene Gesteinsschichten durchqueren, werden sie abgelenkt oder reflektiert. Manchmal kommen sie auch gar nicht durch, zum Beispiel wenn sie auf Flüssigkeiten treffen. So hat man zum Beispiel entdeckt, dass der Erdkern tatsächlich aus flüssigem Metall besteht; man weiß, wie tief die Erdkruste reicht und wie dick der Erdmantel ist. Und so weiter. Aber auch wenn es nicht so tief hinab geht, kann man aus der Ausbreitung von Wellen im Gestein viel über seine Zusammensetzung erfahren. Deswegen produziert man in der Geologie auch oft künstliche, lokale Mini-Erdbeben, um gezielt bestimmte Regionen von Gestein der Erdkruste zu untersuchen. Und genau so etwas hat man im Rahmen der Apollo-Missionen auch auf dem Mond geplant. Als Neil Armstrong und Buzz Aldrin im Juli 1969 als erste Menschen einen Fuß auf den Mond gesetzt haben, war ihr Job damit noch lange nicht erledigt. Sie hatten auch einen ganzen Schwung wissenschaftlicher Instrumente mit dabei, unter anderem das Passive Seismic Experiment Package (PSEP), ein Set aus simplen Messinstrumenten für seismische Wellen. Man hat sie knapp 17 Meter von der Mondlandefähre aufgestellt und man hat damit keine dramatischen Ereignisse gemessen. Vor allem hat man das gemessen, was Neil und Buzz gemacht haben. Ihre Schritte am Mond wurden von den Instrumenten registriert, ebenso die diversen Aktivitäten der Mondlandefährn. Es gab allerdings auch ein paar kleinere Ereignisse, die nichts mit der Anwesenheit der Menschen zu tun gehabt haben. Das waren zum Beispiel die Einschläge von Meteoriten auf dem Mond - aber recht viele Daten konnte man nicht sammeln, denn die Instrumente konnten nur mit einem Solarpanel betrieben werden und nach einem Mondtag war Schluss; nach 20 Erdtagen brach der Kontakt mit den Instrumenten ab. Aber schon mit Apollo 12 ist das nächste entsprechende Messinstrument auf den Mond geflogen und bei Apollo 14 und 16 gab es ein Update. Jetzt war es ein ASE, also ein Active Seismic Experiment. Hier hat man mehr oder weniger das gemacht, was die Geologie auch auf der Erde macht und von dem ich vorhin gesprochen habe. Man hat Geophone auf der Mondoberfläche ausgelegt. So nennt man - egal ob auf der Erde oder dem Mond - Geräte, die Schwingungen des Bodens in elektrische Spannungen umwandeln und somit aufzeichnen können. Dann hat man mit speziellen Geräten kleine Explosionen ausgelöst, um den Boden zum Schwingen zu bringen. Solche Mini-Beben breiten sich natürlich nicht durch den gesamten Mond aus. Aber es reicht, um das Gestein in der Nähe zu untersuchen und herauszufinden, wie der Untergrund beschaffen ist. Apollo 17, die letzte der Missionen des Programms, hat das dann noch einmal getoppt. Die Explosionen des Lunar Seismic Profiling Experiment waren größer. Es waren aber nicht nur künstliche Explosionen die man genutzt hat, um Wellen im Gestein zu erzeugen. Man hat sogar das Aufstiegsantriebssystem der Mondlandefähre für die seismische Forschung genutzt. Dabei handelt es sich um den Raketenantrieb der oberen Stufe der Apollo-Mondlandefähre. Oder anders gesagt: Das ist das Antriebssystem, mit dem die Astronauten nach ihrem Besuch von der Mondoberfläche wieder zurück ins Weltall fliegen . Es trägt die Mondlandefähre hinauf ins All und wenn alle wieder ins Kommandomodul umgestiegen sind, braucht man es nicht mehr. Deswegen hat man es wieder auf den Mond stürzen lassen, wo es natürlich einen ordentlichen Rumms gibt, den man dann mit den Seismometern messen kann. Die Wellen können dabei ein paar Kilometer tief ins Gestein eindringen und als Messungen dieser Art von den Forscherinnen und Forschern diskutiert worden sind, wurde in Berichten darüber der Satz verwendet, dass der "Mond wie eine Glocke schwingt". Und - das haben sich zumindest die zu Beginn der Folge erwähnten Verschwörungsfans gedacht, wenn der Mond wie eine Glocke schwingt und eine Glocke innen hohl ist, dann muss auch der Mond hohl sein! Ob diese Leute dann auch geglaubt haben, dass die Mondlandung nur ein Fake war, ist allerdings überliefert… Die Messinstrumente der Apollo-Missionen haben bis zum Jahr 1977 jedenfalls jede Menge Mondbeben aufgezeichnet; mehr als 10.000. Aber selbst die stärksten davon waren schwächer als die stärksten Beben auf der Erde. Die meisten waren so schwach, dass man ohne Messinstrumente kaum etwas davon mitbekommen würde und selbst die starken Beben würden hier auf der Erde vielleicht nur ein wenig die Wände wackeln lassen und keine gröberen Schäden anrichten. Ein Grund für die Mondbeben ist seine Bewegung um die Erde. Wenn er sich dabei am erdnächsten oder erdfernsten Punkt seiner Bahn befindet, gibt es besondes viele Beben, was darauf hindeutet, dass es etwas mit der Gezeitenkraft zu tun haben muss, die die Erde auf ihn ausübt. Diese Beben entstehen circa 700 Kilometer tief unter der Oberfläche. Daneben gibt es aber auch noch Beben, die durch den Einschlag von Meteoriten ausgelöst werden und Beben die entstehen, wenn sich das Gestein durch den Wechsel von Tag und Nacht abkühlt oder aufheizt. Ein Tag auf dem Mond dauert ja 14 Tage, eine Nacht ebenso lange und während es am Tag bis zu 120 Grad heiß sein kann, kann die Temperatur in der Mondnacht auf bis zu -130 Grad absinken. Durch diese Schwankungen entstehen Spannungen im Gestein, die sich dann irgendwann abbauen und der Boden wackelt. Alle diese drei Arten von Mondbeben sind eher schwach; die starken kommen aus der vierten Gruppe, die Beben umfasst, die nur 50 bis 200 Kilometer tief unter der Oberfläche entstehen. Diese "seichten" Mondbeben sind nicht nur stark, sie dauern auch lange - bis zu 10 Minuten. Die Schwingungen werden also im Gestein des Mondes nur schwach gedämpft; auf jeden Fall aber schwächer als auf der Erde. Denn bei uns sorgt die Verwitterung dafür, dass das Gestein ein bisschen geschwächt wird. Es wird, vereinfacht gesagt, ein bisschen bröselig und lässt sich leichter deformieren; das dämpft die Erdbebenwellen. Auf dem Mond gibt es keine Verwitterung die durch Wind, Regen, Wasser und Eis ensteht. Bis auf die unmittelbare Oberfläche, die durch das Bombardement der Mikrometeoriten zerbröselt wird, ist das Gestein fest, trocken und kalt. Wenn es einmal zu schwingen beginnt, dann schwingt es! Was wir noch nicht kennen, ist die Ursache dieser seichten Mondbeben. Dafür haben wir zuwenig Daten. Aus finanziellen Gründen wurden die Seismometer auf dem Mond im Jahr 1977 abgeschaltet. Und sie wären auch nicht weit genug über den Mond verteilt gewesen - die Instrumente standen ja nur auf den Stellen, wo die Apollo-Missionen gelandet sind. An den Polen zum Beispiel hat man noch gar nichts gemessen. Wenn wir mehr wissen wollen, müssen wir wieder zurück und es wäre gut, wenn wir mehr wissen, wenn wir wieder zurück zum Mond fliegen - ganz besonders dann, wenn wir auch länger bleiben wollen. Wie gesagt: Die schwersten Mondbeben sind, verglichen mit der Erde, nicht extrem stark. Aber doch stark genug, damit man sich beim Bau von Mondhabitaten Gedanken darüber machen muss. Worüber man sich übrigens keine Gedanken muss, ist die Sache mit dem Mondraumschiff, das von Aliens gebaut worden ist. Diese Hypothese haben die sowjetischen Wissenschaftler Michael Vasin and Alexander Shcherbakov im Jahr 1970 veröffentlicht. Belege haben sie dafür keine gebracht, auch ansonsten nicht viel erklärt, nur dass der Mond eben in ferner Vergangenheit von irgendeiner Alienzivilisation gebaut worden sein soll. Das ganze war auch keine wissenschaftliche Arbeit, sondern ist in einer populärwissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht worden und war am Ende vermutlich sowieso nur Propaganda. Denn ab den 1960er Jahren hat die Sowjetunion immer wieder mal Ideen aus der sogenannten "Ancient Astronaut"-Szene verbreitet. Das ist das, was hierzulande unter anderem Erich von Däniken verbreitet hat, also die Idee, dass Außerirdische in der Vergangenheit auf der Erde waren, dort die Pyramiden und jede Menge andere eindrucksvolle Bauwerke errichtet haben und gleichzeitig für die Mythen und Gründung aller möglichen Religionen verantwortlich sein sollen. So etwas hat der offiziell atheistisch-kommunistischen Sowjetunion natürlich gut in den Kram gepasst und man auf diesem Weg probiert, dem gläubigen Westen eins Auszuwischen. So oder so: Der Mond ist nicht hohl und kein Raumschiff. Er ist ein Himmelskörper, über dessen Inneres wir noch viel zu wenig wissen. Aber immerhin wüssten wir, wie wir mehr herausfinden können. Mit Erdbeben und ihrer Erforschung kennen wir uns aus und wir würden auch mit den Mondbeben jede Menge Wissenschaft anstellen können. Wir müssten halt nur wieder zurück zum Mond, um sie auch ordentlich messen zu können.
Sternengeschichten Folge 682: Die Urwolke
Die Entstehung des Sonnensystems (ohne Gott) Sternengeschichten Folge 682: Die Urwolke "Gebet mir Materie, ich will eine Welt daraus bauen! Das ist, gebet mir Materie, ich will euch zeigen, wie eine Welt daraus entstehen soll." Dieser Satz stammt von Immanuel Kant, dem deutschen Philosophen aus dem 18. Jahrhundert, den man eher für Aussagen kennt wie "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.", dem berühmten Kantschen Imperativ. Oder aber man kennt den Satz "Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!". Das jedenfalls hat Kant sehr ausführlich getan und in den 80 Jahren seines Lebens haufenweise relevante philosophische Werke geschrieben. Nicht ganz so bekannt ist die Tatsache, dass Kant sich auch mit Astronomie beschäftigt hat. 1755 ist sein Buch "Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels" erschienen und daraus stammt der Satz, den ich zu Beginn dieser Folge zitiert habe. Und wie man aus Materie eine Welt bauen kann: Genau das hat Kant darin erklärt. Und er hat es vor allem ohne Rückgriff auf irgendeine Art der göttlichen Schöpfung erklärt, was für die damalige Zeit außergewöhnlich war. Mit seinen Gedanken hat Kant im 18. Jahrhundert Entdeckungen vorweg genommen, die erst fast 200 Jahre später tatsächlich gemacht worden sind. Aber fangen wir am Anfang an und das ist diesem Fall wörtlich zu verstehen. Denn genau der Anfang, also die Entstehung von Sonne und Erde, der anderen Planeten und des ganzen Sonnensystems: Das war eines der zentralen Themen in Kants Allgemeiner Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Es ist nicht möglich, den gesamten Inhalt von Kants astronomischer Forschung in einer Folge dieses Podcasts wiederzugeben. Er hat sich zum Beispiel ausführlich mit einer Darstellung der Theorien von Isaac Newton beschäftigt, die damals auch noch vergleichsweise neu waren. Kant hat sich dann - im Gegensatz zu Newton, auch intensiv darüber Gedanken gemacht, wo das alles herkommt. Er hat zuerst einmal festgestellt, dass es im Sonnensystem heute recht ordentlich zuzugehen scheint. Da ist die Sonne, die von sechs Planeten umkreist wird. Uranus, Neptun und Pluto waren damals ja noch nicht entdeckt. Alle bewegen sich in der selben Richtung um die Sonne und all ihre Bahnen liegen fast in der selben Ebene. Der Raum zwischen den Planeten ist leer und das war ein Problem. Denn wenn da nichts ist, dann kann es auch nichts geben, was die Bewegung der Himmelskörper irgendwie steuert; es gibt keine materielle Ursache für die Entstehung dieser Ordnung, weswegen Newton damals auch gesagt hat, dass es halt Gott war, der das alles so schön ordentlich eingerichtet und dann den Gesetzen der Gravitation überlassen hat, die Newton entdeckt hat. Für Kant war das keine befriedigende Antwort. Und er hat sich etwas anderes ausgedacht. In seinem Buch schreibt er: "Ich nehme an: daß alle Materien, daraus die Kugeln, die zu unserer Sonnenwelt gehören, alle Planeten und Cometen bestehen, im Anfange aller Dinge in ihren elementarischen Grundstoff aufgelöset, den ganzen Raum des Weltgebäudes erfüllet haben, darinn jetzo diese gebildete Körper herumlaufen." Oder anders gesagt: Die Sonne, die Planeten und die Kometen sind nicht fix und fertig von irgendeinem Gott geschaffen worden. Sondern sie sind entstanden, aus ihren "elementaren Grundstoffen", also aus einer Art von ursprünglicher Materie. Denn, so Kant, "Dieser Zustand der Natur […] scheinet nur der einfachste zu seyn, der auf das Nichts folgen kann. Damals hatte sich noch nichts gebildet. Die Zusammensetzung von einander abstehender Himmelskörper, ihre nach den Anziehungen gemäßigte Entfernung; ihre Gestalt, die aus dem Gleichgewichte der versammleten Materie entspringet, sind ein späterer Zustand. Die Natur, die unmittelbar mit der Schöpfung gränzete, war so roh, so ungebildet als möglich." Oder, wieder ein wenig moderner formuliert: Am Anfang war so wenig wie möglich; zwar nicht Nichts, aber eben nur ein Haufen ursprünglicher Materie. Und daraus hat sich das Sonnensystem, so wie wir es heute beobachten gebildet. Ja, was denn sonst, könnte man aus heutiger Sicht einwenden. Aber die heutige Sicht ist eben die Sicht von heute, und sie kann nur deswegen die Sicht von heute sein, weil sie irgendwann früher einmal entwickelt worden ist. Und dieses "früher" war zur Zeit von Kant, als es noch ein durchaus revolutionärer Gedanke war, zu behaupten, dass das Sonnensystem entstanden ist und nicht durch Schöpfung erzeugt wurde. Man kann das mit der Evolutionstheorie von Charles Darwin vergleichen. Dessen Werk "Über die Entstehung der Arten" ist erst mehr als 100 Jahre nach Kants Allgemeiner Naturgeschichte und Theorie des Himmels erschienen und auch damals war es noch bei weitem nicht selbstverständlich, auf eine natürliche Entstehung zu verweisen und auf Gottes Schöpfung zu verzichten. Kant hat sich also eine Art "Urwolke" aus Teilchen vorgestellt, die sich alle bewegt haben. Durch Zusammenstöße und ähnliches konnten diese Teilchen ihre Bewegung aufeinander übertragen, und so hat sich im Laufe der Zeit eine gemeinsame Drehrichtung und eine Bewegung in einer gemeinsamen Ebene eingestellt. Es gab, so Kant, verschiedene Arten von Teilchen. Manche waren ein wenig dichter als andere und konnten so eine größere Anziehungskraft ausüben. Und die Kraft der Gravitation hat dazu geführt, dass sich dieser Urstoff zu immer größeren Klumpen zusammengeballt hat, bis am Ende die Sonne, die Planeten und der Rest des Sonnensystems entstanden ist. Und die Himmelskörper bewegen sich deswegen so, wie sie es tun, weil die Teilchen beim Zusammenballen nicht einfach alle in gerader Linie aufeinander zugestürzt sind. Es haben sich Wirbel gebildet, die zu einer Rotation geführt haben. Kant hat das alles noch sehr, sehr viel ausführlicher erklärt. Aber das war auf jeden Fall die Grundidee: In der Vergangenheit hat es eine "Urwolke" gegeben, in der sich Teilchen chaotisch bewegt haben. Daraus hat sich zuerst die Sonne gebildet, die dann von einer rotierenden Scheibe aus Teilchen umgeben war, in der sich wiederum die Planeten gebildet haben. Viele der Details die Kant in seinen Gedanken angeführt hat, sind aus heutiger Sicht falsch. Aber die grundlegende Hypothese der Entstehung des Sonnensystems aus einer großen Wolke ist exakt das, wovon wir auch heute ausgehen. Trotzdem hat es gedauert, bis die Arbeit von Kant entsprechend anerkannt worden ist. Man hat sein Buch kaum beachtet und auch der französische Astronom Pierre-Simon Laplace hat es nicht gekannt, als er über 40 Jahre später, im Jahr 1796, seine "Nebularhypothese" veröffentlicht hat. Darin hat er behauptet, die Sonne wäre früher von einer Art riesiger Atmosphäre umgeben, die, weil die Sonne sie so stark aufgeheizt hat, sich über den ganzen Bereich des heutigen Sonnensystems ausgedehnt hat. Als die junge heiße Sonne dann abgekühlt ist, ist auch die Atmosphäre geschrumpft und die Materie darin hat sich verdichtet. Sie hat quasi einen Haufen Ringe um die Sonne gebildet, aus denen dann später die Planeten entstanden sind. Das ähnelt der Theorie von Kant insofern, als dass auch hier die Himmelskörper aus einer Art von Gas entstehen, das sich verdichtet. Es unterscheidet sich aber auch deutlich, denn einerseits hat Laplace nicht erklärt, wie die Sonne entstanden ist und andererseits wissen wir heute auch, dass das mit der Entstehung des Sonnensystems eben nicht so gelaufen ist, wie Laplace sich das so vorgestellt hat. Kant war wesentlich näher an der Wahrheit. Aber als seine Arbeit dann, fast 100 Jahre nach der Veröffentlichung, vom französischen Astronom François Arago wiederentdeckt und einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden ist, hat man sie quasi mit der von Laplace zusammengeworfen und heute spricht man deswegen oft von der "Kant-Laplace-Theorie" zur Entstehung des Planetensystems. Aber immerhin: Sowohl Kant als auch Laplace konnten mit ihren Hypothese auf göttliche Schöpfungsakte verzichten, was aus Sicht der Wissenschaftstheorie definitiv einen großen Fortschritt darstellt. Heute wissen wir natürlich ein wenig genauer Bescheid als zur Zeit von Kant. Wir wissen, dass die "Urwolke" nicht nur der Ursprung des Sonnensystems war, sondern von ein paar zehntausend Sternen. Sie war ungefähr 65 Lichtjahre groß und die "Urmaterie" in ihr bestand aus Wasserstoff und Helium, mit ein bisschen Staub, der aus diversen Verbindungen andere, schwerere Elemente zusammengesetzt war. Diese Wolke hat sich durch ihrene eigene Schwerkraft zusammengezogen und ist in kleinere Fragmente "zerbrochen", die aber immer noch ein paar Lichtjahre groß waren. Diese kleineren Bereiche sind dann selbst wieder kollabiert, vermutlich angeregt durch Supernova-Explosionen in der Nähe, die das Gas und den Staub durcheinander gewirbelt haben. Aus einem dieser Fragmente hat sich das Sonnensystem gebildet; die Sonne war aber nur einer von ein paar tausend bis zehntausend Sternen, die aus dieser Urwolke entstanden sind. Es ist erstaunlich, dass Immanuel Kant schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts eine Idee zur Entstehung des Sonnensystems entwickelt hat, die so nahe am heutigen Stand des Wissens ist. Aber gut, das war auch nicht das einzige astronomische Thema, bei dem Kant erstaunlich weitsichtig war. Aber das ist ein Thema für eine andere Folge der Sternengeschichten. Kant hat in seinem Buch auch geschrieben "Die Schöpfung ist niemals vollendet." - und das gilt auch für das Erzählen von Geschichten.
Sternengeschichten Folge 681: MESSENGER und die erste Umrundung des Merkur
Hitzehölle und ewige Dunkelheit Sternengeschichten Folge 681: MESSENGER und die erste Umrundung des Merkur Der Merkur ist der sonnennächste Planet unseres Sonnensystems. Man kann ihn mit freiem Auge sehen, aber es ist nicht immer leicht, ihn zu beobachten, eben weil er der sonnennächste Planet ist. Das bedeutet - wenig überraschend - dass er am Himmel immer irgendwo in der Nähe der Sonne sein muss. In der Nacht ist er also nicht da, man kann ihn nur in der kurzen Zeit sehen, in der die Sonne schon untergegangen ist, der Merkur aber noch über dem Horizont steht. Oder andersherum, kurz bevor die Sonne aufgeht, in der Morgendämmerung. Mit ein bisschen Glück ist es aber gar nicht so schwer, den Merkur zu sehen. Deutlich schwerer ist es, ihn vor Ort zu erforschen. Gut, es ist immer schwer, irgendeinen Planeten zu erforschen. Es ist nicht einfach, zum Mars zu fliegen und dort Raumsonden zu landen; genau so schwierig ist es bei der Venus, und so weiter. Aber beim Merkur ist es noch einmal extra schwierig. Einerseits ist jede Raumsonde, die zu ihm fliegt, zwangsläufig sehr nahe an der Sonne. Dort ist die Temperatur sehr hoch; dort ist auch die Teilchenstrahlung die von der Sonne kommt sehr stark. Die Chance auf technische Probleme ist groß, wenn man zum Merkur fliegt und jede Raumsonde muss besonders robust und aufwendig gebaut werden. Andererseits ist so nahe an der Sonne natürlich auch ihre Gravitationskraft besonders stark. Je näher eine Raumsonde der Sonne kommt, desto stärker ist die Anziehungskraft und desto schneller wird sie. Und desto stärker muss man sie abbremsen, wenn man nicht einfach nur vorbeirauschen, sondern in eine Umlaufbahn einschwenken will. Bremsen braucht Treibstoff und je mehr Treibstoff man mitnehmen muss, desto komplexer und teurer wird eine Mission. Es ist also kein Wunder, dass der Merkur das erste und für lange Zeit das letzte Mal am 29. März 1974 erreicht worden ist. Damals ist die amerikanische Raumsonde Mariner 10 in einem Abstand von 705 Kilometer an ihm vorbeigeflogen. Bremsen konnte man aber - wie ich gerade gesagt habe - nicht. Mariner 10 ist dann am 21. September 1974 und am 16. März 1975 nochmal vorbeigeflogen. Einmal sehr weit entfernt, in 50.000 Kilometer Abstand und einmal mit nur 375 Kilometern Distanz. Diese Vorbeiflüge haben immerhin gereicht, um 45 Prozent seiner Oberfläche zu kartografieren. Aber eigentlich ist das ja kein Zustand. Das war nicht mal die Hälfte der Oberfläche! Ein Planet wie Merkur hat es verdient, dass wir ihn uns ausführlich ansehen. Wenn es nur nicht so schwierig wäre… Erst in den 1990er Jahren hat man sich wieder daran gemacht, einen Besuch bei Merkur zu planen. Ein entsprechender Entwurf wurde 1997 noch von der NASA abgelehnt, aber 1999 dann doch noch bewilligt. MESSENGER sollte das erledigen, was Mariner 10 nicht erledigen konnte: Nicht nur zum Merkur fliegen, sonder ihn auch umkreisen und im Detail studieren. Und MESSENGER ist nicht nur das englische Wort für "Botschafter", sondern natürlich auch ein Akronym für "MErcury Surface, Space ENvironment, GEochemistry and Ranging" was auf deutsch so viel heißt wie „Merkur-Oberflächen-, Umwelt-, Geochemie- und Entfernungsmessung“. Die Sonde war klein, nur 1,3 mal 1,4 mal 1,9 Meter groß. Aber sie hatte auch einen 2,5 mal 2 Meter breiten Schutzschild, um sie vor den Gefahren der nahen Sonne zu schützen. Beim Start hatte die Sonde ein Gewicht von 1093 Kilogramm. Davon waren aber nur 485 Kilogramm die Masse der Sonde selbst; der Rest war Treibstoff und der hätte nicht mal ausgreicht, um sie ausreichend zu bremsen. Um die nötige Geschwindigkeit zu verlieren, um in eine Merkur-Umlaufbahn zu gelangen, musste man außerdem auch noch die Gravitation von Venus und Erde zum Bremsen nutzen. Der Start war eigentlich für März 2004 geplant, musste dann aber auf Mai 2004 verschoben werden. Da hat es auch nicht geklappt und am 2. August 2004 war das Wetter zu schlecht. Aber am 3. August 2004 hat es dann geklappt. MESSENGER hob mit einer Delta-II-Rakete von Cape Canaveral ab. Ein Jahr später gab es ein Swing-By an der Erde, noch ein Jahr später, im Oktober 2006 ein Swing-By-Manöver bei der Venus. 2007 kam Swing-By Nummer 2 bei der Venus und zwischen 2008 und 2009 ganze drei Swing-By-Manöver am Merkur selbst. Am 18. März 2011 war es dann soweit: Die Sonde hat 15 Minuten lang gebremst, was wirklich lang ist, und ist dabei um fast 3100 km/h langsamer geworden. Zusammen mit dem Geschwindigkeitsverlust durch die ganzen Swing-Bys davor hat das gereicht, um in eine Umlaufbahn um den Merkur zu gelangen. Dort ist MESSENGER dann bis 2015 geblieben um so viel wie möglich über den Planeten herauszufinden. Und MESSENGER HAT viel herausgefunden. Zuerst einmal haben wir jetzt endlich eine vollständige Karte von Merkur. Man hat aber auch das bestätigt, was man vorher schon stark vermutet hat: Merkur hat einen absurd großen Kern aus Metall. Gut, so einen metallischen Kern haben auch die Erde und Venus, aber Merkur ist viel kleiner; Merkur ist sogar noch kleiner als der Mars. Merkur hat nur einen Durchmesser von circa 4880 Kilometern. Der metallische Kern der in ihm steckt hat einen Durchmesser von 4100 Kilometern, was etwas größer als der Mond und vergleichbar mit dem Kern der Erde ist. Wir wissen bis heute noch nicht genau, wie der Merkur zu so einem gewaltigen Kern aus Metall kommt. Vielleicht hat es mit seiner Nähe zur Sonne zu tun; vielleicht ist auch eine Kollision in der fernen Vergangenheit verantwortlich, bei der ein gewaltiger Einschlag fast die gesamte Kruste und Mantel des Merkur entfernt hat, der dann früher sehr viel größer gewesen sein muss. Extrem spannend war die Entdeckung, die man im Jahr 2012 gemacht hat. Es gab Hinweise auf Wasser auf der Oberfläche des Merkur. Kein flüssiges Wasser natürlich, denn Merkur hat keine Atmosphäre und ohne entsprechenden Druck kann es kein flüssiges Wasser geben. Aber der sonnennahe Planet hat eben auch eine Durchschnittstemperatur von circa 167 Grad und die Maximalwerte bei voller Sonneneinstrahlung liegen bei circa 430 Grad. Auf so einer durcherhitzten Welt ist eigentlich kein Wasser zu erwarten. Aber, und das haben die Messungen von MESSENGER gezeigt: In der Nähe der Pole von Merkur gibt es Krater, in die niemals Sonnenlicht gelangt. Die Rotationsachse des Merkur ist quasi gar nicht geneigt; sie steht fast exakt senkrecht auf die Bahnebene. Und in Kratern am Nord- oder Südpol kann, sofern ihre Wände hoch genug sind, tatsächlich ewige Dunkelheit herrschen. Damit wird es dort natürlich auch nie heiß und es bleibt kalt genug, dass gefrorenes Wasser existieren kann. Das war schon überraschend genug, aber noch überraschender waren die Spuren von organischen Molekülen, die man in diesen Kratern entdeckt hat. Kein Leben natürlich, aber simple Stickstoff- und Kohlenstoffverbindungen, die eigentlich auch nicht auf seiner heißen Welt existieren sollten, die ständig der harten Strahlung der nahen Sonne ausgesetzt ist. Man geht heute davon aus, dass Wasser und organische Moleküle durch Asteroiden und Kometen auf den Merkur gebracht worden sind, die dort in der Vergangenheit eingeschlagen haben. Aber um solche Details zu klären, war MESSENGER dann doch nicht lange genug und vor allem nicht nahe genug vor Ort. Die Raumsonde hat noch jede Menge mehr entdeckt; Spuren von Vulkanismus zum Beispiel, die darauf hindeuten, dass der Planet noch vor ein paar hundert Millionen Jahren aktiv gewesen sein könnte, womit man ebenfalls nicht gerechnet hat. Das Magnetfeld des Merkur hat sich als überraschend komplex herausgestellt, weil es direkt mit den magnetischen Phänomenen der Sonne in Wechselwirkung steht. Und so weiter: MESSENGER hat mehr als deutlich gezeigt, dass eine Mission zum sonnennächsten Planeten wichtig war. Nach Mariner 10 hat man zwar 30 Jahre warten müssen, aber besser spät als nie. Und zum Glück war MESSENGER auch nicht die letzte Mission. 2018 ist ihr BepiColombo ins All gefolgt, eine Raumsonde der Europäischen Weltraumagentur gefolgt. Aber trotzdem war MESSENGER die erste, die den sonnennächsten Planeten umkreist hat. Und deswegen passt es auch gut, dass sie ihre Mission dort beendet hat. Nach dem die Mission zweimal verlängert wurde, war dann irgendwer der Treibstoff endgültig zu Ende. Mit den letzten paar Tropfen hat man MESSENGER in Richtung Merkur gesteuert, wo sie am 30. April 2015 abgestürzt ist. Dort liegt sie jetzt, als erstes von Menschen gemachte Objekt, das die Oberfläche dieser seltsamen fernen und heißen Welt erreicht hat.
Sternengeschichten Folge 680: Die Astronomie der Rauhnächte
Zwischen den Jahren gibt es auch Wissenschaft Sternengeschichten Folge 680: Die Astronomie der Rauhnächte Wenn man sich in der Vorweihnachtszeit in den Buchläden umsieht, dann findet man dort nicht nur die übliche Literatur über Weihnachten und den Advent sondern meistens auch einen Schwung Bücher, die mit den "Rauhnächten" zu tun haben. Wenn man eines dieser Werke liest, dann hat man Glück, wenn es darin nur um die gesellschaftlichen und historischen Aspekte diverser Volksbräuche und -mythen geht oder um halbwegs sinnvoll formulierte Vorschläge, die Zeit rund um den Jahreswechsel zur Introspektion und Ruhe zu nutzen. Sehr viel öfter aber hat man Pech, und kriegt ein Buch, dass voll mit esoterischem Quatsch ist. Denn in der "magischen Zeit" der Rauhnächte kann man - so wird da oft versprochen - die Zukunft vorhersagen, böse Geister vertreiben, Wünsche wahr machen, Träume deuten, und so weiter. Darum soll es in dieser Folge der Sternengeschichten natürlich nicht gehen. Sondern um das, was in kaum einem dieser Bücher erwähnt wird: Die astronomischen Hintergründe der Rauhnächte. Und um die zu verstehen, fangen wir am besten mal damit an zu klären, was eine Rauhnacht eigentlich ist. Üblicherweise werden damit die zwölf Nächte zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar bezeichnet. Regional kann es aber auch unterschiedlich sein, und dann sind die Rauhnächte der Zeitraum zwischen dem 20. Dezember und Neujahr. Wir kommen darauf später noch zurück, aber es reicht vorerst zu wissen, dass die Rauhnächte grob den Zeitraum bezeichnen, den wir allgemein als "Zwischen den Jahren" bezeichnen. Und das ist auch schon der erste Hinweis auf die Astronomie. Denn eigentlich gibt es ja kein "Zwischen den Jahren". Das Jahr endet am 31. Dezember um Mitternacht und unmittelbar danach beginnt das nächste Jahr. So ist unser Kalender definiert - aber wir haben ja nicht immer den Kalender verwendet, den wir heute verwenden. Natürlich basiert auch unser moderner Kalender auf dem Umlauf der Erde um die Sonne beziehungsweise auf der Drehung der Erde um ihre Achse. Wie man diese Einheiten von Jahr und Tag in einen sinnvollen Einklang bringt, habe ich ja schon in vielen Folgen der Sternengeschichten erzählt und ganz ausführlich in Folge 101. Da habe ich auch erklärt, dass das gar nicht so einfach ist, weil sich das nie ganz genau ausgeht und immer ein bisschen was übrig bleibt. Das ist der Grund, warum wir Schalttage und Schaltjahre haben - ansonsten würde der Kalender irgendwann nicht mehr mit den Jahreszeiten im Einklang sein und wir hätten den Nordhalbkugelwinter irgendwann, wenn der Kalender Juli anzeigt. Wir haben den Kalender also ein wenig angepasst, aber früher war das noch deutlich anders. Da hat man sich beim Erstellen des Kalenders natürlich auch nach der Bewegung der Himmelskörper gerichtet. Aber in den meisten Fällen hat man sich dabei entweder an der Sonne oder dem Mond orientiert. Beim Mondkalender misst man die Zeit zwischen Vollmond und Vollmond und das ist ein Monat. Zwölf dieser Monate ergeben ein Jahr und das ist dann 354 Tage lang. Beim Sonnenkalender wartet man, bis die Erde einmal um die Sonne herum gelaufen ist. Beziehungsweise man betrachtet die scheinbare Bewegung der Sonne am Himmel; das läuft aufs gleiche hinaus. Auf jeden Fall war es auch schon für die frühen Zivilisationen durch genaue Beobachtungen der Abläufe am Himmel möglich, zu bestimmen, dass es gut 365 Tage dauert, bis sich in der Hinsicht alles wiederholt. Sowohl Sonne als auch Mond sind wichtige Taktgeber für Landwirtschaft, für das religiöse Leben, und so weiter. Man will also gerne Monate und das Jahr berücksichtigen. Vor allem auch, weil ein reiner Mondkalender nicht funktioniert, zumindest dann nicht, wenn man will, dass bestimmte Daten immer zur ungefähr selben Zeit im Jahr stattfinden. Der islamische Kalender ist so ein reiner Mondkalender und deswegen bewegen sich dort Feiertage wie Ramadan durch das ganze Jahr. Die meisten Kulturen haben deswegen Lunisolar-Kalender entwickelt, die beide Perioden irgendwie zusammenführen. Man hat dann also ein Jahr, dessen Dauer vom Lauf der Sonne (was in Wahrheit die Bewegung der Erde um die Sonne ist) bestimmt wird und das unterteilt ist in Monate, deren Dauer vom Mond bestimmt wird. So ein Lunisolarkalender kann "interkalierend" sein oder nicht. Und dieses komplizierte Wort bedeutet eigentlich nur "Einschub". Ein interkalierender Kalender ist zum Beispiel der alte römische Kalender. Weil ein Jahr aus zwölf Mondmonaten deutlich kürzer als ein Sonnenjahr ist, hat man - vereinfacht gesagt - gewartet, bis sich die fehlenden Tage wieder zu einem ganzen Monat aufsummiert haben und dann einen ganzen zusätzlichen Schaltmonat eingeführt. In unserem modernen Kalender haben wir das anders gelöst; wir haben zwar immer noch 12 Monate, aber die dauern nicht so lange, wie der Zeitraum zwischen zwei Vollmonden - was ca 29 Tage sind. Wir haben ihnen mehr oder weniger willkürlich Längen zwischen 28 und 31 Tagen zugeordnet, und weil sich das am Ende immer noch nicht ganz ausgeht, brauchen wir alle paar Jahre noch einen Schalttag, damit der Kalender nicht aus dem Ruder läuft. Man kann das mit den Einschaltungen aber auch einfach ignorieren. Dann lässt man das Jahr 12 Mondmonate lang laufen, also 354 Tage lang. Das neue Jahr beginnt dann aber erst 11 Tage später, wenn ein Sonnenjahr mit 365 Tagen um ist. Diese elf Tage beziehungsweise 12 Nächte liegen dann quasi außerhalb der Zeit; sie zählen nicht wirklich - es sind "Tage zwischen den Jahren". Natürlich sind auch das einfach ganz normale Tage, auch wenn sie in den jeweiligen Kalendern keine Bezeichung haben. Aber in den mythologischen Vorstellungen der Menschen waren das eben auch Tage, an denen die üblichen Gesetze nicht mehr gelten. In diesen Tagen außerhalb der Zeit ist alles möglich; es fallen die Grenzen zwischen der Welt der Lebenden und der Toten; zwischen den Welten von Göttern und Menschen und so weiter. Es haben sich diverse Bräuche entwickelt, um die bösen Geister und Dämonen, die in diesen Tagen angeblich umgehen, in Schach zu halten. Oder aber um mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Man hat Rituale entwickelt, Feste, und so weiter. Heute haben wir einen Kalender, dem zwischen den Jahren nichts mehr fehlt. Jeder Tag, sogar jede Sekunde ist genau erfasst; es gibt keine Lücken mehr. Aber die 12 Nächte, die das Ende des einen Mondjahres vom Anfang des nächsten trennen, haben in Form der Rauhnächte und ihrem Brauchtum bis heute überlebt. Dass diese Tage gerade um Weihnachten herum liegen, ist auch keine Überraschung. Ich habe darüber in den Folge 369 und 474 ausführlich gesprochen. Am 21. oder 22. Dezember ist die Wintersonnenwende, also der Tag, an dem die Sonne auf der Nordhalbkugel ihre geringste Höhe über dem Horizont erreicht. Der Tag ist der kürzeste des Jahres und die Nacht die längste. Oder anders gesagt: Ab der Wintersonnenwende werden die Tage wieder länger und das ist etwas, dass man definitiv feiern kann. Das haben die Menschen auch immer schon gefeiert und das Christentum hat den Feiertag zur Geburt von Jesus einfach auf den Tag der Wintersonnenwende gelegt. Wenn die Menschen eh schon gewohnt sind, zu feiern, dann fällt es ihnen einfacher, den neuen Gott zu feiern und ihre alten Religionen abzulegen, hat man sich gedacht. Und damals war der Tag der Wintersonnenwende noch der 25. Dezember. Dass die heute ein paar Tage früher im Kalender stattfindet, liegt an den diversen Kalenderreformen, die in den letzten zweitausend Jahren stattgefunden haben. Die Wintersonnenwende war auch ein guter Punkt, um ein Jahr enden zu lassen und ein neues zu beginnen - und damit müssen auch die Tage zwischen den Jahren hier zu finden sein. Die Rauhnächte mögen heute mit christlichem Brauchtum umgeben sein; mit der Zeit zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag oder mit der Zeit von der Thomasnacht (zum 21. Dezember, ein Gedenktag des Apostel Thomas) bis zu Silvester - darunter liegen aber die vorchristlichen Feste und die alten Kalender der Menschen, die sich nach dem Mond gerichtet und auf komplexe Schaltregeln verzichtet haben. Die Rauhnächte sind ein letzter Rest dieser lang verschwundenen Vergangenheit und gleichzeitig eine Verbindung zwischen dem astronomischen Wissen aus früheren Zeiten und der Gegenwart. Damals war es von fundamentaler Bedeutung, über den Lauf der Zeit informiert zu sein, denn nur so hat man einerseits die Landwirtschaft und damit das Überleben gesichert und andererseits die religiöse und gesellschaftliche Verbindung zwischen den Menschen aufrecht erhalten können. Nur mit dem Überblick über die Zeit kann man die Feste zum richtigen Zeitpunkt feiern oder aber eben wissen, wann die omniöse Zeit "zwischen den Jahren" gekommen ist, in der man besonders auf das Walten und den Willen der Götter und Geister achten muss. Und den Überblick über die Zeit konnte man damals nur durch astronomische Beobachtungen bekommen - es war also wichtig, über den Lauf der Himmelskörper informiert zu sein. Heute ist das den meisten Menschen egal; wir ignorieren die astronomischen Verbindungen zwischen den Rauhnächten und dem Leben der Menschen in der Vergangenheit. Und haben die "Zeit zwischen den Jahren" dafür mit esoterischem Quatsch gefüllt. Es gäbe noch viel mehr zu erzählen über die Astronomie und die Zeit der Rauhnnächte. Über die "Wilde Jagd", die in diesen Nächten ihr Unwesen treibt und Sternbilder wie den Orion; über die Perchten und das Frühlingsäquinoktium und so weiter. Aber das hebe ich mir für eine andere Folge der Sternengeschichten auf. Und bis es so weit ist, könnt ihr ja gerne in den Rauhnächten in den klaren Winterhimmel hinauf blicken und ein wenig an die Zeit denken, als die Nacht für die Menschen nicht einfach nur Dunkelheit war.
Sternengeschichten LIVE Tour, das Ende der Live-Show und Veränderungen im Podcast
Update zu Live-Shows und Podcast Sternengeschichten LIVE Tour, das Ende der Live-Show und Veränderungen im Podcast STERNENGESCHICHTEN LIVE TOUR in D und Ö: Tickets unter https://sternengeschichten.live Hallo liebe Hörerinnen und Hörer der Sternengeschichten, Kurz bevor das Jahr zu Ende geht, melde ich mich noch einmal außerhalb der normalen Folgen bei euch, denn es gibt ein paar wichtige Dinge, die ich euch sagen möchte. Das wichtigste gleich zu Beginn: Die Veränderungen im Podcast, die ich im Titel angesprochen habe, bedeuten nicht, dass die Sternengeschichten nicht mehr so sein werden wie jetzt. Das wird alles so bleiben wie immer. Ich möchte nur eventuell etwas zusätzliches, neues machen. Aber dazu kommen wir später. Zuerst möchte ich auf die Live-Shows zu meinem Podcast hinweisen. Es gibt noch ein paar Termine für 2025 und einige für 2026, aber das werden die letzten Termine sein. Ich werde die Live-Shows danach bis auf weiteres beenden; nicht weil sie keinen Spaß gemacht haben und nicht, weil niemand sie sehen wollte. Ganz im Gegenteil. Aber aus Gründen, die zu komplex sind um sie hier zu erläutern und aus Gründen, für die ich selbst auch nichts kann, hat sich die ganze Organisation der Tour als äußerst unerfreulich erwiesen, sowohl aus persönlicher als auch aus finanzieller Sicht. Aber der Punkt um den es geht ist: Wenn ihr meine Live-Show noch besuchen wollt, dann geht das bis auf weiters nur an den Terminen, die derzeit im Verkauf sind. Wenn ihr mich im Ruhrgebiet sehen wollt, also in Essen, Düsseldorf und Darmstadt, dann müsst ihr zu den Shows kommen, die demnächst stattfinden. Nämlich am 10. Dezember in Essen, am 11. Dezember in Darmstadt und am 13. Dezember in Düsseldorf. Am 14. Dezember bin ich mit der Show das letzte Mal in Berlin, da ist zwar schon quasi ausverkauft, aber es kann sein, dass kurzfristig noch Tickets in den Verkauf kommen. 2026 kann man die Show auch in Österreich sehen; am 29. Januar in Wien, am 30. Januar in Salzburg, am 20. Februar in Wörgl, am 26. Februar in Oberwaltersdorf und am 28. Februar in Linz. Danach geht es Ende 2026 im Norden von Deutschland weiter, am 3. Oktober bin ich in Lübeck und am 4. Oktober in Hamburg. Der einzige Auftritt in Bayern wird 2026 am 23.10 in Fürth stattfinden. Im Osten bin ich am 9.November in Erfurt, am 10.November in Leipzig und am 11. November in Dresden. Am 24. November geht es ein letztes Mal nach Bremen und die allerletzte Live-Show wird am 26. November in Osnabrück stattfinden. Wenn ihr mich live mit den Sternengeschichten sehen wollt, gibt es dafür leider nur noch diese Möglichkeiten. Tickets und die weiteren Infos dazu findet ihr unter sternengeschichten.live Ich würde mich freuen, euch zu sehen - denn trotz allem macht es immer wieder großen Spaß, nicht nur ins Mikrofon zu sprechen, sondern live zu euch. Ach ja - und bevor ich es vergesse: Die ganz Kurzentschlossenen können mich am 3. Dezember in Schwandorf besuchen, da halte ich meinen Vortrag "Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen" und am 4. Dezember bin in Freistadt mit einem Vortrag zu "Wie viel Astronomie steckt in einem Glas Bier?". Soweit zur Live-Show. Der zweite wichtige Punkt betrifft den Podcast selbst. Wie gesagt: Es wird sich nichts ändern; es wird weiterhin jeden Freitag eine neue Folge der Sternengeschichten geben, so wie ihr es seit 13 Jahren gewohnt sein. Ich überlege aber, zum Beispiel einmal im Monat noch eine extra Folge zu veröffentlichen; in einem etwas anderen Format. Eine Spezialfolge, wo ich vielleicht auch auf die eine oder andere Neuigkeit aus der Wissenschaft eingehen kann, was ich ja in den regulären Folgen nicht mache; wo ich vielleicht auch auf Feedback aus der Hörerschaft eingehen kann und wo ich Dinge besprechen kann, wie ich sie jetzt gerade in dieser Spezialfolge bespreche. Ich würde gerne wissen was ihr davon haltet; wenn ihr das jetzt in großer Anzahl extrem doof findet, dann werde ich es nicht machen - aber ich glaube, es wäre nach so langer Zeit eine nette Erweiterung für diesen Podcast. In so einer Spezialfolge könnte ich dann zum Beispiel auch ausführlich von meinem neuen Buch erzählen, das nächstes Jahr im Februar erscheinen wird. Es heißt "Die Farben des Universums" und ihr könnt es gerne jetzt schon vorbestellen. Nicht vorbestellen, aber überall dort kaufen, wo es Hörbücher gibt, könnt ihr natürlich immer noch das "Sternengeschichten"-Hörbuch, auch als mp3-CD mit Booklet und Bildern. Vielleicht braucht ihr ja noch was für Weihnachten. Ich wünsche euch auf jeden Fall noch eine möglichst ruhige Zeit bis zum Ende des Jahres und einen ebenso ruhigen Anfang des neuen Jahres! Bis Bald mit der nächsten Folge der Sternengeschichten! Wer den Podcast finanziell unterstützen möchte, kann das hier tun: Mit PayPal (https://www.paypal.me/florianfreistetter)), Patreon (https://www.patreon.com/sternengeschichten)) oder Steady (https://steadyhq.com/sternengeschichten)) Sternengeschichten-Hörbuch: https://www.penguin.de/buecher/florian-freistetter-sternengeschichten/hoerbuch-mp3-cd/9783844553062