Über den Fall der beiden Niederländerinnen, die 2014 im Dschungel von Panama verschwanden, ist viel geschrieben worden. Die beiden Studentinnen hinterließen eine Fülle an Spuren, die von der Polizei ausführlich untersucht und im Netz breit diskutiert wurden. Wie die beiden jungen Frauen zu Tode kamen, ist trotzdem nicht bekannt. Klar ist nur, dass sie starben, denn man fand später Knochenteile, außerdem einen Rucksack, Handys und eine Kamera mit letzten Fotos im nachtdunklen Dschungel. Eine unheim...
Über den Fall der beiden Niederländerinnen, die 2014 im Dschungel von Panama verschwanden, ist viel geschrieben worden. Die beiden Studentinnen hinterließen eine Fülle an Spuren, die von der Polizei ausführlich untersucht und im Netz breit diskutiert wurden. Wie die beiden jungen Frauen zu Tode kamen, ist trotzdem nicht bekannt. Klar ist nur, dass sie starben, denn man fand später Knochenteile, außerdem einen Rucksack, Handys und eine Kamera mit letzten Fotos im nachtdunklen Dschungel. Eine unheimliche Geschichte.
Theatergruppe im Dschungel von Panama
Auch Dorothee Elmiger kennt die Geschichte und hat sie ihrem neuen Roman zugrunde gelegt. In „Die Holländerinnen“ erzählt sie den historischen Fall aber nicht nach, sondern schickt eine Theatergruppe in den Dschungel von Panama, um den Weg der verschwundenen Holländerinnen nachzugehen. Mimetik durch Reenactment. Teil der Gruppe ist auch eine Autorin – eine Figur im Buch –, die protokolliert, was die Gruppe im Dschungel sagt und erlebt. Ihre Protokolle gibt diese fiktive Autorin wiederum später im Auditorium einer Universität wieder. Die Erzählung dieser Autorin ist Dorothee Elmigers Roman. Ein Erlebnis in mehrfacher erzählerischer Schichtung.
Das Erzählen gibt der Angst einen Rahmen
Elmigers Roman ist weniger eine Geschichte über Furcht denn über Angst, sagt Hanna Engelmeier auf SWR Kultur, „weil Furcht ein konkretes Ziel oder Thema hat, aber Angst formlos ist. Angst hat keine Umrisse, keinen Anfang und kein Ende.“ Elmigers Theatermacher fordert seine Gruppe immer wieder auf, unheimliche Geschichten zu erzählen. „Das Erzählen einer Geschichte ist natürlich eine Art, der Angst einen Rahmen zu geben“, erklärt Engelmeier. „Es ist ein narratives Zurückgewinnen von Kontrolle. Damit verschwindet nicht der Grund für die Angst, aber das Gefühl wird zumindest geformt.“
Sprachkrise in der Tradition des Chandos-Briefs
Zugleich sieht Hanna Engelmeier den neuen Roman von Dorothee Elmiger in der Tradition von Hugo von Hofmannsthals Chandos-Brief (1902), da auch Elmigers fiktive Autorin von einer fundamentalen Sprachkrise und dem Verlust aller Zusammenhänge berichtet. In ihrem Vortrag kann sie ihren Erfahrungen daher nur noch in indirekter Rede, also in der Möglichkeitsform des Konjunktivs nähern. In diesem Sinne liest Engelmeier „Die Holländerinnen“ auch als einen Roman darüber, wie von einer krisenhaften und medial überfordernden Gegenwart – Kriege, Klimawandel, Autoritarismus – überhaupt noch erzählt werden kann: „Dies ist auch deswegen ein so extrem guter Roman über die Gegenwart, weil er immer wieder daran scheitert, in eine literarische Sprache zu bringen, was jetzt gerade überhaupt passiert.“
Dorothee Elmigers „Die Holländerinnen“ sind aktuell nominiert für den Deutschen Buchpreis (Shortlist). Außerdem für den Schweizer Buchpreis. Und für den Bayerischen Buchpreis.
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