Quelle: Markus Stenger, Architekt
Markus Stenger ist der Meinung, dass in der Entwicklung von Konzerthäusern ein Ende erreicht sei. Das Publikum selbst würde dabei helfen, sich auf das Wesentliche zu besinnen: „Wo die Menschen jetzt plötzlich feststellen: Wenn sie das Machen, das eigentliche Musikmachen spüren, sehen, erleben: dass diese Unmittelbarkeit, die da entsteht in der Empfindung, plötzlich Sachen triggert, die man schon für verloren geglaubt hatte.“ Viele erfolgreiche Musikorte wurden nicht für perfekte Hörerlebnisse gebaut Ausgerechnet ein Architekt wie Markus Stenger interessiert sich auffällig für das Fluide, nicht Statische, das Musikorte auch besitzen können. Genau wie sich auch gesellschaftliche und musikalische Bedürfnisse ändern. Stenger gibt zu bedenken, dass Musik heute via Kopfhörer und Smartphone doch eigentlich ortlos sei, um genau dies dann als illusorisch zu entlarven. Auch heute bräuchten wir, so Stenger, physische Orte für Musik -- nur sei die jahrelang ausgetüftelte Akustik in Luzern, in Hamburg oder im Berliner Boulez-Saal für das Publikum oft unwichtig. Die Mit-Herausgeberin des Bändchens, Musikjournalistin Michaela Fridrich, erinnert daran, dass einige der heute erfolgreichsten Orte für Kultur solche sind, die ursprünglich gar nicht zu diesem Zweck gebaut wurden: das Radialsystem Berlin etwa, ein ehemaliges Abwasserpumpwerk; oder die Zeche Zollverein in einem ehemaligen Steinkohlebergwerk. Komische Oper Berlin bringt die Oper in die Kieze Zwei Sänger und drei Musiker an Geige, Akkordeon und Kontrabass: So klingt es, wenn der türkische Opernbus der Komischen Oper Berlin in einem Hinterhof in Berlin Kreuzberg Station macht. Mustafa Akca hat den Opernbus an der Komischen Oper initiiert, der heute durch die Kieze tingelt. Auch Akca kommt in „Musikorte für Alle“ zu Wort, und er beschreibt Musikorte nicht als etwas steinern Gefügtes, sondern als etwas, das in den Menschen selbst liege. Wenn das tatsächlich so sei, findet er, dann könne man eben auch in Turnhallen, Vereinshäusern einer Fußballmannschaft, einem Boxring, der Wartehalle eines Flughafens, auf dem Bolzplatz oder in der Waschküche ganz tolle Oper machen. Wenn's keine Herzenswärme ist und wenn man das nicht gerne macht, dann klappt das nicht. Der Ort ist wurst.Quelle: Mustafa Akca, Initiator des Opernbusses der Komischen Oper Berlin
Musik entsteht mit jedem Interpreten Musik ist auch hier nicht ortlos, aber es kommt für Akca sicher nicht auf die Akustik der jeweiligen Waschküche an. Vielmehr entsteht mit jedem Interpreten, der für eins der Mini-Konzerte sein Instrument auspackt, ein neuer Ort. Womit wir wieder bei den Nomaden wären und bei ihrem Lagerfeuer. Sollen Musikorte wirklich „für Alle“ sein, werden sie es wohl umso mehr, je durchlässiger und nicht je ausgeklügelter und teurer sie sind. In der derzeitigen Diskussion um aufwändig sanierte Konzerthäuser überall in Deutschland ist das eine überraschende und durchaus pikante Pointe.