Interview mit Christian Häfner von FastBill Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von LifeHackz. Heute mit dem Geschäftsführer von FastBill – Christian Häfner. Christian hat FastBill zusammen mit seinem Co-Founder komplett aus eigenen Mitteln aufgebaut, sprich er hat das Unternehmen gebootstrapped, was ich richtig, richtig geil finde und was ich schade finde, dass es immer so ein bisschen untergeht neben den ganzen fett Venture finanzierten Unternehmen, die viel Geld verbrennen – nicht alle aber einige. Daneben gehen die ganzen Boostrapping Sachen ein bisschen unter. Von daher, ich habe höchsten Respekt vor seiner unternehmerischen Leistung, finde ihn persönlich auch mega-cool – er ist ein guter Freund geworden mittlerweile, hat richtig viel Wissen zum Thema Unternehmertum. Deshalb freue ich mich total, dass er heute am Start ist. Alle Shownotes zu dieser Folge findet ihr unter lifehackz.de/007 und jetzt viel Spaß mit dem Interview mit Christian. In dieser Folge lernst du: Was für Christian Freiheit bedeutet. Wie man ortsuanbhängige Teams managed. Wie er sein Unternehmen gebootstrapped hat. Warum er für das nächste Projekt auf Venture Capital setzt. Schreib mir an marcus@lifehackz.co, hinterlass eine kurze Bewertung auf iTunes und abonniere die Show! Werde auch Teil der kostenlosen DNX LIFE HACKZ Community mit über tausenden gleichgesinnten Lifehackern. 1.000 Dank, Dein Marcus [ Shownotes FastBill https://de.letsseewhatworks.com/guerilla-marketing/ happycoffee.org Automattic Mobile Jazz Meerdavon.com [su_accordion] [su_spoiler title="Diese LIFE HACKZ Folge zum Nachlesen" icon="plus-square-1"] Marcus: Hi Christian! Cool, dass Du mit am Start bist! Christian: Hallo, freut mich! Marcus: Sag mal, wo bist Du gerade und wie bist Du dahin gekommen? Christian: Ja also jetzt heute bin ich im Home Office und sitze inmitten von einer ganzen Menge Kaffeeverpackungen, weil ich nämlich gerade für ein Business Kaffee auswähle. Und da ist zuhause ein guter Ort für. Marcus: Und was ist das? Du sagst jetzt das ist ein Business, das heißt Du hast mehrere, aber erzähl vielleicht erst mal was über das Kaffee-Business. Christian: Ja, ich mache tatsächlich ganz viele Sachen und ein Business davon ist ein Online Kaffeeshop: happycoffee.org. Den habe ich schon vor einigen Jahren gestartet. Ich habe zwischendurch den Kaffeeverkauf aber wieder eingestellt und den werde ich jetzt neu starten. Also im Wesentlichen geht es um fairen Kaffee, den ich importiere, mit einem Röster zusammenarbeite und den dann online hier in Deutschland verkaufe und demnächst dann auch europaweit. Marcus: Das ist ja cool! Und das Ding selber hast Du schon vor Längerem gestartet und hast es dann, wie Du selber sagst, erst mal auf Pending gelassen. Und wenn ich Dich richtig verstanden habe, nimmst Du jetzt wieder Fahrt auf? Christian: Ja ganz genau. Ich hatte ja auch irgendwann mal einen richtigen Job, irgendwann in meiner Vergangenheit. Ich habe in einem Konzern hier in Hamburg gearbeitet, was eigentlich auch ganz cool war. Allerdings hat es mich damals schon gedrängt, mal andere Dinge auszuprobieren. Ich wollte halt schon immer Unternehmer sein und habe schon ganz früher mal Sachen gegründet und naja, dieses Kaffeeprojekt habe ich damals gegründet, als ich dort noch angestellt war. Das hat mir mein Chef damals netterweise erlaubt. Dann habe ich eben versucht, á la 4-Stunden-Woche eine komplett ausgeschöpfte Wertschöpfungskette aufzubauen. Also einen Röster zu suchen, einen Anbauer suchen, einen Logistiker suchen. Und so kam das dann halt. Ich habe damals bis 2012 auch gute 50kg-70kg online verkauft. Das hat allerdings nicht gereicht, um davon leben zu können. Da ich mein heute erfolgreiches Startup FastBill quasi Vollzeit betrieben habe, habe ich mich darauf fokussiert; das Kaffee-Business eingestellt und zu der Zeit dann FastBill gemacht. Allerdings habe ich happycoffee vor eineinhalb Jahren dann wieder in die Hand genommen. Ich habe da ein kleines Team, das mit mir die Arbeit gemacht hat. Also Marketing, SEO, sodass wir da heute eine ganze Menge Nutzer auf dem happycoffee haben. Das ist eine gute Grundlage, um jetzt wieder mit dem Kaffeeverkauf anzufangen. Marcus: Sehr cool. Das ganze erinnert mich ein bisschen an diese Teekampagne vom Günter Faltin. Den kennst Du bestimmt auch oder? Christian: Ja absolut. Die erste Idee hatte ich auch, nachdem ich die 4-Stunden-Woche von Tim Ferris gelesen habe. Ich glaube, das war 2007 oder 2008. Da habe ich das gelesen und dachte mir: okay, jetzt musst Du auch irgendwas machen. Kaffee ist halt ein tolles Produkt. Das macht Spaß. Marcus: Gerade wenn es nachhaltig und fair getradet ist. Das ist glaube ich auch eine Sache, die sehr sinnvoll ist. Christian: Ja absolut. Viele große Röster nutzen das halt als Werbelabel. Für mich ist das schon eine Grundvoraussetzung, dass man über Bio und fairtrade nicht besonders reden muss. Deswegen muss das auch kein Billigkaffee sein, den es für 7,95 € bei Tchibo gibt. Sondern das ist halt ein Standard, wie man ihn bei Röstereien gewohnt ist. Der Coffee Circle ist da eine andere gute Marke, die sich in diesem Segment platziert hat und das wird hier nicht anders sein. Marcus: Du sagst gerade, Du bist in Deinem Home Office. Das heißt also, Du bist Dein eigener Chef, hast mehrere Firmen am Start und FastBill. Das ist glaube ich das Projekt, was die meisten vielleicht kennen werden, und kannst von überall arbeiten. Hast Du einen bestimmten Spot, wo Du am liebsten arbeitest oder wie bist Du so aufgestellt was Deine Locations angeht? Christian: Also für mich ist es die Mischung, ehrlich gesagt. Vielleicht noch kurz zu FastBill: Wir sind ja ein Team mit 25 Mitarbeitern und wir haben uns in drei Offices in Deutschland aufgeteilt. Da sind dann noch ein paar Leute in Home Offices. Das heißt, es gibt irgendwo einen Schreibtisch, da kann man auch hin, wenn man möchte. Da steht ein zweiter Monitor. Das ist ganz gut zum arbeiten und der ist bei mir im Betahaus, hier in Hamburg. Da haben wir einen kleinen Raum gemietet und da bin ich ganz oft. Allerdings ist das Thema Home Office für mich auch ganz gut und wenn ich eine Weile weg bin - ich gehe zum Beispiel gerne Surfen, in Bali demnächst wieder oder ich werde mal eine Weile in Stockholm sein. Das sind dann Dinge, die gehen dann auch. Ich muss sagen, man muss sich da immer im Umfeld einfinden. Insofern ist es vielleicht nicht immer die produktivste Zeit, aber es geht. Und ich finde dieses Unterwegssein und Reisen ist schon wichtig. Marcus: In Terms of: Was stellt das mit Dir an? Ich weiß, wie das bei mir ist wenn ich viel reise, aber wie ist das bei Dir? Christian: Ich kriege natürlich einen klaren Kopf und ich verstumpfe nicht. Ich habe halt die Möglichkeit, die Welt zu erleben. Und mir ist das halt super wichtig. Anderen Leuten sind andere Dinge wichtig wie zum Beispiel ein Auto, eine große Wohnung etc. Mir ist das nicht so wichtig. Ich möchte halt die Welt sehen, die Welt erleben. Ich möchte halt gerne in andere Kulturen abtauchen. Als ich zum Beispiel mal drei Monate in New York gelebt habe, das war fantastisch. Mal selber New Yorker zu sein. Und so ähnlich möchte ich es auch, nicht nur in großen Städten sondern auch kleinen Dörfern erleben. Das zum einen. Zum anderen surfe ich gerne, das habe ich ja schon gesagt. Und das geht halt nicht immer und in Hamburg ist das immer schwierig. Marcus: Das stimmt (grinst) Du sagtest gerade, Deine Mitarbeiter. Ihr seid mittlerweile 25 bei FastBill. Ihr verfügt über drei Büros, ich glaube in Hamburg, Frankfurt und wo noch? Christian: In Essen. Da haben wir noch Buchhaltung und Verwaltung. Aber mein Bruder zum Beispiel, der auch für uns arbeitet, der sitzt irgendwo in Bonn in seinem Home Office und hat dort ein Haus auf dem Land und das ist eben weit weg von jedem anderen Büro. Aber für ihn ist das tolle, dass er halt jetzt mit seinen Kindern mittags essen kann, die morgens zur Schule fahren kann und nachmittags dann wieder hat. Das ist auch eine Form von Luxus, die in seinem Fall jetzt zum Beispiel gar nicht so viel mit reisen zu tun hat, aber mit Familie, die man jetzt öfters sieht als wenn man einen 9 to 5 Job hat. Marcus: Also ich finde es gut, dass Du das gerade ansprichst, weil viele das ja immer am Reiseaspekt aufhängen und gerade auch die digitale Nomadenszene natürlich gerne unterwegs ist und viel reist. Dieses ganze Konzept, nicht mehr im 9 to 5 Job zu sein und als Solopreneur sein eigenes Ding zu starten und sein eigenes Geld zu verdienen, vielleicht sogar auch bei Dir ortsunabhängig in einem Unternehmen mitzuarbeiten. Das kann man für quality time und seine Familie nutzen, sein Sohn dann vom Kindergarten abholen. Das macht zum Beispiel Pat Flynn aus Amerika dann auch. Er sagt, er ist der einzige Familienvater, der seinen Sohn zum Kindergarten bringt und wieder abholt. Und das erlaubt auch dieses ganze Setting, was er sich geschaffen hat. Also einige nehmen das Reisen und andere nehmen sich mehr Zeit für die Familie und die Dritten nehmen das dann für ihr Hobby, wo sie dann endlich mal richtig gut drin werden. Ich glaube das macht es gerade so spannend. Christian: Ich würde das auch als Freiheit bezeichnen. Freiheit und was man wann, wo, wie mit wem macht. Also immer Reisen ist ja auch irgendwann anstrengend. Aber ich finde, man möchte sich einen Lifestyle, einen Tagesablauf schaffen. In meinem Fall zum Beispiel: Ich stehe immer ohne Wecker auf. Das ist für mich auch eine Art von Luxus und wenn ich morgen erst um 10.00 Uhr anfange oder um 11.00 Uhr, dann ist das halt mal so. Das sind Dinge, die müssten gehen und die sind mittlerweile so normal geworden. Wenn man das anderen erzählt und die sich dann immer wundern, gerade wenn sie dann noch in festen Arbeitsverhältnissen sind und halt ein schlechtes Gefühl haben, wenn sie dort später als 8.30 Uhr erscheinen. Diese Freiheit muss halt jeder für sich bestimmen. Da gebe ich Dir absolut recht. Marcus: Aber ich glaube da muss man auch erst mal hinkommen, sich das selber zuzugestehen. Also gerade Feli und ich haben ja sehr lange in Corporate Jobs gearbeitet und es wird jetzt immer besser. Aber es fällt uns nach wie vor immer noch schwer, uns zuzugestehen, am Nachmittag wenn man schon voll durchgepowert hat, mal ein oder zwei Stunden etwas anderes zu machen und sich auszuruhen oder zum Sport zu gehen. Diese 9 to 5 – Taktung ist immer noch total tief drin in den Leuten und ich glaube, deshalb fällt es vielen total schwer, sich das vorzustellen, wenn es noch andere Konzepte gibt. Christian: Ich meine, wir Unternehmer haben ja die große Herausforderung, dass wir von Erfolgsleistungen, also Output getrieben sind. Weniger Arbeiten, da kommt vielleicht weniger raus. Und ein Angestellter arbeitet glaube ich nicht so sehr für den Erfolg hinten raus, sondern mehr für das Geld, was er für diese Zeit bezahlt bekommt. Das ist so ein grundlegender Unterschied. Ich will jetzt nicht sagen, dass Angestellten die Arbeit nicht Spaß macht oder an sich nicht motiviert sind. Aber ein Unternehmer arbeitet halt in erster Linie für sich selbst. Man ist da sehr egoistisch unterwegs. Wir müssen uns dann eben disziplinieren. Diese Zeit, die wir eigentlich haben, eben nicht nur für diese Erfolgsergebnisse nachher zu investieren sondern eben für Dinge die wir vielleicht sonst so machen. Also bei mir ist es manchmal so, wie es sich ergibt und am Nachmittag geht man mit Freunden in den Biergarten. Es ist halt erst um 15.00 Uhr oder um 16.00 Uhr. Ja da habe ich dann auch kein schlechtes Gewissen. Aber genauso habe ich kein schlechtes Gewissen, wenn ich mal bis 21.00 Uhr da sitze, weil ich mich so in irgendetwas vertieft habe, was halt gerade ziemlich geil ist in dem Moment. Marcus: Ja, das kriegen die meisten von außen ja gar nicht mit. Wie geil das eigentlich ist, was man da gerade macht. Nach wie vor, wenn wir reisen und dann in einem normalen Hostel einchecken und dann da sitzen und nachts sitzen oder freitags abends, wenn die anderen um uns herum Party machen und saufen, dann kriegen wir eigentlich nur noch mitleidige Blicke ab. Dabei wissen die ja gar nicht, an was für geilen Sachen wir da gerade arbeiten. Christian: Ganz genau. Auf der anderen Seit kann man dann vielleicht Party machen und einen saufen während die anderen arbeiten. Am Ende muss sich halt jeder seinen eigenen Rhythmus auferlegen und damit happy sein. Marcus: Absolut. Habe ich das richtig verstanden, dass Deine Mitarbeiter die freie Wahl haben von dort zu arbeiten, wo sie arbeiten möchten? Christian: Nein, das stimmt nicht 100%. Wir haben Mitarbeiter, die sind richtig dabei. Die müssen lernen, wie wir richtig ticken. Die müssen das Fach lernen und dafür ist es gut und wichtig in einer Umgebung zu sein, wo sie das tun können. Abgesehen davon haben die meisten kein professionell ausgestattetes Home Office und können eben in einem anderen produktiven Umfeld am Arbeitsplatz sein. Es ist allerdings so, dass die Leute dort tatsächlich gerne sind. Die kommen also auch, wenn sie nicht arbeiten und sitzen bei uns rum. Gerade so Studenten und hängen dann da ab und spielen Playstation oder lernen vielleicht für die Uni, wenn das mal ansteht. Also wir bieten ihnen so eine Art Wohnzimmer, in dem man aber auch produktiv sein kann. Aber es gibt auch Menschen oder Mitarbeiter, da ist das möglich. Einmal weil es nicht anders geht, wie zum Beispiel bei meinem Bruder. Aber wir sind da super flexibel. Wenn jetzt jeder verstreut wäre, ich weiß es nicht, vielleicht ist das noch mal eine Herausforderung, die wir noch lernen müssen. Das ist auf jeden Fall ein Ziel von mir. Dass wir da noch selbstbestimmter sein können, was jeden einzelnen betrifft. Marcus: Ich glaube, das ist eine Riesenherausforderung und mit ganz vielen verschiedenen Stellschrauben verbunden, dass das dann so läuft, wie vielleicht in einer Umgebung wo man dann doch enger zusammensitzt und schon festere Strukturen hat. Christian: Ich merke das zum Beispiel an einem Mitarbeiter aus Brasilien. Der Daniel. Er ist da seit zwei Jahren für uns und da haben wir halt auch das Problem oder die Herausforderung der Zeitverschiebung. Das ist jetzt nicht super kritisch in Brasilien, in Sao Paulo. Aber es ist halt eine Thematik, die man schon meistern muss. Also wir verabreden uns zum Beispiel regelmäßig für feste Calls und anders sieht man sich halt nicht. In einem Büro laufen Dir die Leute über den Weg oder man ruft mal schnell an innerhalb von Deutschland. In Brasilien, wo ich weiß, er hat einen komplett anderen Rhythmus als wir hier, da ist es eben nicht so schnell so zwischendurch gemacht sondern klar, geht auch mal per Zufall, aber es ist immer wichtig, dass wir in so einem Fall feste Zeiten vereinbaren und skypen. Marcus: Ich weiß das zum Beispiel von Automattic, die Coder von WordPress. Die arbeiten ja auch komplett Ortsunabhängig. Matt Mullenweg hat sein Team so aufgestellt, dass sich ein Team jeweils in der gleichen Zeitzone befindet und quasi gar nicht mehr nach Themengebieten oder nach Customer Service, Marketing etc. zusammengeführt sondern dass alle in der gleichen Zeitzone arbeiten. Das wäre vielleicht auch noch eine Option, aber das hat wahrscheinlich auch ganz andere Herausforderungen und Nachteile. Christian: Ja, da muss man die fachliche Aufteilung finden. Also wer muss mit wem zusammenarbeiten. Wenn man das weiß und jede Aufgabe klar beschrieben ist, dass jeder das tun kann was er soll, dann hätten wir einen Idealzustand, wo es dann sowieso egal ist, wie man wann mit wem redet. Häufig gibt es halt Schnittstellen, die auch im Alltag da sind. Deswegen, wie Du schon sagst, muss man halt schauen, dass man diese so legt, dass sie in derselben Zeitzone sind oder im besten Fall sogar am selben Ort. Marcus: Ich denke auch an so sensible Angelegenheiten wie Customer Service, wo Du auch ein gewisses Service Level Agreement hast, was Du dann auch aufrechterhalten willst. Und da wird es dann auch oft schwierig und kritisch. Christian: Genau. Gerade Support ist super kritisch gegenüber dem Kunden. Wir machen ja auch viel Telefonsupport. Wenn jetzt da zum Beispiel ein Kunde anruft und er im Hintergrund das Meer hört. Das kann für die einen vielleicht ganz lustig sein, aber hier muss man dann glaube ich doch ein gewisses Level erfüllen, den Service zu bieten, den wir bieten wollen. Marcus: Ja und was man nicht vergessen darf, es ist wirklich nicht für jeden etwas. Dieses ständige Reisen und das langsame Reisen. Matt Mullenberg hat beispielsweise gesagt, dass alle die Freiheit haben von dort aus zu arbeiten, von wo sie arbeiten wollen, aber 80% trotzdem in den Staaten bei ihren Familien sind und nicht irgendwie rumreisen. Christian: Ja erstaunlich. Also wenn bei uns die Mitarbeiter mal reisen, dann machen sie es so, dass sie ein paar Wochen Urlaub machen und dann aber ein paar Wochen Arbeit hinten dranhängen. Da ist zum Beispiel eine Kollegin in Bolivien gewesen, der andere in Peru. Die haben das halt genauso gemacht. Sie reisen langsam, sind dann aber auch vor Ort, um bei der Familie vielleicht zwei oder drei Wochen mehr zu arbeiten. Oder bei Freunden oder wie auch immer. Aber nicht die ganze Zeit mit dem Rucksack unterwegs und hüpfen von A nach B. Marcus: Nee, das geht auch gar nicht. Was ich aber auch fand war, als wir vor zwei Wochen in Barcelona gewesen sind, habe ich auch Stefan Klumpp von Mobile Jazz interviewt, der auch eine Reboot Firma aufgebaut hat und ein Büro in Barcelona hat. Die Mitarbeiter könnten theoretisch auch alle Home Office machen oder von woanders arbeiten, aber der Großteil ist dann doch täglich in das Büro gegangen. Sie haben nämlich gesagt, in deren Umfeld arbeiten eh alle 9 to 5 und da mache ich meine Arbeit an einem Ort, wo auch Gleichgesinnte sind und wo vielleicht eine Kaffeemaschine steht. Es muss halt nicht immer von zu Hause sein. Es kann ja auch etwas Cooles sein, im Büro mit gleichgesinnten Leuten abzuhängen und Spaß zu haben. Christian: Das stimmt. Also hier diese Sternschanze in Hamburg, wo ich ja mein Büro habe, da gehe ich schon gerne hin, weil ich zum Beispiel mittags mal rausgehen kann zu dieser Schulterblatt, dieser Alternativmeile, und lecker essen gehen kann. Das ist ja auch eine Form der Lebensqualität. Also es geht ja nicht nur um den Schreibtisch sondern auch um das Umfeld, in dem man sich da begibt. Wenn man da nur in seinem Home Office sitzt, das werden viele Leute mit Home Office kennen, da fällt einem auch irgendwann die Decke auf den Kopf. Deswegen sage ich immer, für mich macht es die Mischung. Ich bin gerne mal eine Woche Frankfurt, ich bin gerne mal eine Woche in Hamburg, ich bin auch gerne mal eine Woche ganz woanders. Oder auch mal zwei oder drei. Und diesen Wechsel mache ich jetzt seit Jahren und für mich klappt das eigentlich ganz gut. Marcus: Das machen Feli und ich auch. Sogar wenn wir in einer Stadt wie Berlin sind, dann ein paar Tage komplett zuhause oder wir treffen uns mit Christian Michaelis oder anderen Kumpels, die ihr Office hier in Berlin haben und Coworken dann zusammen in seinem Office und auch mal bei einem Kumpel in der Wohnung, sind dann aber auch gerne im Internet-Café unten zum arbeiten oder einfach in einem ganz anderen Café, wo es dann gutes WLAN gibt. Christian: Ja, das ist ja auch eine gute Form von Lifestyle. Also das man immer mal woanders ist, ist ja schon ein gewisser Lifestyle und das ist total cool. Marcus: Ja und ich finde, das braucht man auch um zu merken, man ist noch am Leben als wenn man ständig nur im Home Office so alleine vor sich hin programmiert oder sitzt. Wäre halt auch nichts für mich, vielleicht für andere. Aber es ist halt immer wieder schön mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen und die Umgebung kennenzulernen. Christian: Absolut, da stimme ich Dir zu. Marcus: Wie ist es denn, wenn Du mit Deinem Bruder zusammenarbeitest? Christian: Das haben mich ganz viele Menschen gefragt als es dann soweit war. Vor eineinhalb oder zwei Jahren. Ich habe mit ihm selbst auch darüber gesprochen und da haben wir uns gefragt, was denn ist, wenn das nicht klappt. Und wir waren da beide recht sachlich an der Stelle und haben gesagt: okay, wenn es nicht klappt, dann klappt es nicht. Dann sucht er sich halt wieder etwas anderes. Er kommt eigentlich aus dem handwerklichen Bereich und hat vorher mit Software und Online eigentlich gar nichts zu tun gehabt. Aber er ist halt jemand, der so wie ich, gut sich selbst darstellen kann und ein toller Sales-Typ ist. Und jetzt verkauft er eben Software für FastBill. Und das klappt ganz gut. Wir hätten das nicht gedacht, dass er eben 500 km weit weg von mir arbeitet und wir jetzt nicht jeden Tag zusammen sind. Wir telefonieren auch nicht jeden Tag sondern er hat seinen Job mittlerweile relativ gut und autark im Griff. Das ist kein Problem. Auf der anderen Seite ist der große Vorteil, dass wir mehr Kontakt haben als vorher. Dadurch dass man halt über die Arbeit spricht, hat man auch mehr Zeit, sich im Nebensatz mal über private Dinge zu unterhalten. Oder seine Kinder, wenn die mal kurz in sein Büro kommen nachdem sie von der Schule kommen und er Skype anhat, dann sehe ich die auch mal. Also die Beziehung zu ihm und seiner Familie hat sich für mich intensiviert und das professionelle Level klappt auch super. Also da haben wir mittlerweile überhaupt gar keine Bedenken mehr und ich muss sagen, das war die absolut richtige Entscheidung. Wir finden das total toll. Marcus: Wie weit seid ihr alterstechnisch auseinander? Christian: Das ist mein eineiiger Zwillingsbruder. Zwei Minuten ist die Antwort. Marcus: Ja gut. Bei Zwillingen sagt man ja, dass es da gerade gut läuft, oder? Christian: Ja das stimmt schon. Aber es gibt natürlich Themen, da ist es immer ein bisschen komisch. Wie ganz am Anfang, als wir noch über Urlaubstage verhandelt haben. Ich glaube in seinem Fall wird Urlaub nur so halb gezählt. In meinem Fall genauso wie Arbeitszeiten. Da gibt es jetzt keine Stempeluhr. Da wird auch nichts erfasst bei uns. Am Ende ist es halt hier auch ergebnisorientiert. So etwas wie Gehälter oder Gehaltserhöhungen oder so, da muss man sich irgendwo einigen und ich versuche halt da nicht meine persönliche Meinung als Chef zu platzieren sondern versuche halt einfach so transparent wie möglich zu erklären, in welcher Situation das Unternehmen ist und was die Forderungen aus Unternehmenssicht sind und versuche das jedem Mitarbeiter mitzuteilen und am Ende Verständnis dafür zu bekommen, ob Gehalt A oder B ist. Ich glaube schon, dass bei uns alle gut verdienen. Aber es ist nicht so, dass ich jetzt der Samariter bin und mit Geld um mich werfen könnte. Das funktioniert auch nicht. Insofern versuche ich die Aufgabe des verantwortungsvollen Chefs zu erfüllen, als dass ich eine Transparenz gebe und Anforderungen klar definiere, aber auch dann mitfeiern lasse, wenn es denn Erfolge gibt. Das hält sich bei uns in einem guten Gleichgewicht. Wir feiern zusammen und wir ärgern uns aber auch zusammen, wenn irgendetwas nicht funktioniert und ich glaube, so muss es sein. Über alle Ebenen hinweg. Marcus: Also, ich habe mir das gerade mal mit meinem Bruder vorgestellt. Ich habe nämlich auch einen Bruder, der ist zwei Jahre jünger als ich und wir sind da natürlich eng beieinander. Gerade als wir Teenager waren, gab es da echt wilde Zeiten mit uns beiden aber auch zwischen uns. Er ist jetzt in der Immobilienbranche tätig und sehr, ich sag mal, alteingesessen und konservativ unterwegs. Es ist schwierig sich vorzustellen mit jemandem zusammenzuarbeiten, der so nah ist und wo man auch die empfindlichsten Stellen kennt. Auf der anderen Seite funktioniert ja genau das mit Feli und mir ganz gut. Ich meine, das ist ja auch eine besondere Beziehung im wahrsten Sinne des Wortes. Ich glaube, es kommt immer darauf an, wie professionell man da ran geht oder? Christian: Ja ich glaube, man darf das am Ende auch nicht zu professionell sehen. Also er hat natürlich einen riesen großen Vertrauensvorsprung am Ende gehabt, das stimmt schon. Aber er war vielleicht motivierter als ein anderer Mitarbeiter. Insofern haben wir uns am Ende halt beide die Ergebnisse angeschaut. Das war das, was gezählt hat und das war super. Und deswegen gibt es da überhaupt nix zu murren. Ich finde das toll. Ich habe auch noch einen älteren Bruder und habe ihm gesagt: Wie wäre es denn, wenn Du für uns arbeitest? Und er sagte dann, das ginge auf keinen Fall. Er könnte sich das im Moment nicht vorstellen, dass er für seinen kleinen Bruder arbeiten soll. Und das kann ich dann auch irgendwie akzeptieren, aber die Perspektive gibt es dann natürlich auch. Dass man da so ein emotionales und persönliches Empfinden hat. Aber das ist okay. Da müssen halt alle Seiten für offen sein. Ich glaube, dann geht das. Marcus: Ja ich glaube auch. Es gibt ja auch genug Beispiele, wo es geht. Beispielsweise auch bei Daily Deal - dem Internet Startup, das so etwas Ähnliches macht, wie Groupon in Berlin - gearbeitet. Und das wurde von den beiden Heilemann-Brüdern gegründet, Fabian und Ferry. Die haben sich auch saugut innerhalb des Unternehmens verstanden, aber auch privat haben sie immer noch ständig zusammen gehangen und sind zusammen surfen gefahren. Das sind auch zwei leidenschaftliche Surfer. Das Geheimnis, warum das so gut funktioniert hat, war, dass die Aufgaben ganz klar verteilt waren. Also dass der eine den Sales – ähnlich wie bei Dir jetzt – gemacht hat und der Fabian dann halt nur Investorengespräche, Business Development und die ganze Geschäftsführung, das ganze Organisatorische, HR und Financing/Accounting. Christian: Ja das stimmt, das hilft schon. Also nicht nur, wenn man mit einem Bruder arbeitet, sondern generell in einem Unternehmen mit mehreren Gründern. Das mache ich mit meinem Co-Founder René auch nicht anders. Der eine macht Produkte, der andere macht Sichtbarkeitsvermarktung. Wir stimmen uns trotzdem immer noch über alles ab und telefonieren viel und versuchen die Richtung gemeinsam zu halten. Aber am Ende ist es wichtig, dass jeder sein Ding machen kann und jeder seinen Aufgabenbereich verantwortet. Marcus: Wie kam das mit René zustande, dass ihr sagt, wir starten jetzt eine Company? Christian: Bei ihm war es so, dass wir uns jetzt nicht aus Kinderzeiten kennen, wie es bei manch anderen ist. Wir haben uns 2007 während eines Praktikums in New York kennengelernt. Da gab es so eine Reunite-Veranstaltung in Berlin nach diesem Praktikum. Und da haben wir uns kennengelernt, ein paar Bierchen getrunken und da ist 2007 dann ein Foto entstanden, was wir damals bei StudiVZ hochgeladen haben, mit dem Untertitel „Businesspartner in der Zukunft“ oder irgendwie so. Und das lag halt daran, dass wir das Gefühl hatten, dass wir auf einer Wellenlänge sind, auch wenn wir eigentlich total verschieden sind. Marcus: Eineinhalb Stunden oder wie lange kanntet ihr euch da? Christian: Ja, vielleicht irgendwie drei Stunden. Aber das war cool. Und wir sind dann nach diesem Tag, das muss im Dezember 2007 gewesen sein, auseinander gegangen und haben danach eigentlich nur ein paar mal im Jahr telefoniert und am Geburtstag angerufen. René hatte damals eine Agentur und ich hatte noch meinen Job bei OTTO hier in Hamburg und wir haben uns halt einfach regelmäßig darüber auf dem Laufenden gehalten, was wir gerade so machen. Und irgendwann 2010 haben wir dann gesprochen über das Thema FastBill, weil er das schon als Projekt in seiner Agentur mal so auf halber Arschbacke mitgemacht hat. Da haben wir halt festgestellt, dass ich eigentlich gerne gründen möchte mal wieder und er eigentlich auch, weil seine Agentur, da war er schon selbstständig und hatte auch schon zehn Mitarbeiter. Er wollte auch nicht mehr so richtig Agentur-Geschäft machen. Dann haben wir uns halt entschieden, dieses bisherige Leben hinter uns zu lassen und haben beide unsere Jobs gekündigt, bzw. er hat seine Agentur aufgelöst. Das war quasi ein harter Cut, den wir gemacht haben und ich glaube, im März 2011 haben wir uns dann beide Vollzeit für FastBill eingesetzt. Von da an ging es dann eben los. Wir haben dezentral gegründet. René ist dann in Frankfurt gewesen und ist dann sogar nach Saarbrücken gezogen, weil seine Frau da einen Job gefunden hatte und ich eben in Hamburg. Das war auch keine Option zusammenzuziehen. Aber wir wussten, dass es eben am Anfang wichtig ist, sich auszutauschen und eng beieinander zu sein. Also haben wir uns eine Wohnung in Frankfurt gemietet, die wir bis zum Schluss nicht mehr eingerichtet hatten, als mit einer Couch und einem Bett. Da haben wir uns dann alle zwei Wochen für eine Woche zusammengetan und haben dann 24/7 startup gemacht. Die andere Woche war dann die Woche, wo er in Saarbrücken und ich in Hamburg waren, jeweils bei unseren Freundinnen, um ich sag mal, das normale 9 to 5 zu halten. Und um ein social Leben drum herum zu haben. Die Freundin darf man ja auch nicht vernachlässigen. Marcus: Auf keinen Fall. Christian: War eine intensive Zeit, aber so war das. Das haben wir ein Jahr lang gemacht und mit Erfolg. Danach konnten wir uns eben auch ernähren von FastBill und weiter wachsen. Es hat dann noch einmal eineinhalb oder zwei Jahre gedauert, bis wir Mitarbeiter einstellen konnten. Mittlerweile hat sich das alles ganz gut entwickelt. Und ich bin nur noch, weiß nicht, alle vier bis acht Wochen mal in Frankfurt. Marcus: Ja krasse Story. So zu starten, habe ich bislang ehrlich gesagt auch noch nicht gehört. Das ist auch noch mal ein ganz neuer Ansatz. So voll wie bei Klausurtagungen, da sagt man auch, dass man sich da einschließt 24/7, zusammen mit seinen Geschäftspartnern und dann da etwas vernünftiges bei raus gekommen ist oder eine Entscheidung getroffen wurde und dann geht ihr da eine Woche nach Hause und dann geht ihr da wieder rein. Christian: Ja, wir hatten insofern Druck, dass wir uns einen Puffer von einem Jahr geschaffen hatten, durch Gründungszuschuss und dem privaten Puffer von dem wir leben konnten, ein Jahr lang. Und in diesem Jahr musste das Ding halt soweit fertig sein, dass es läuft. Und wir haben in dieser Zeit so viele lustige und kreative Sachen gemacht, wie die Startup-Tour von FastBill. Wir sind ganz viele Startups abgefahren in Deutschland und haben lustige Videos gedreht. Marcus: Ja, da musst Du gleich auch noch etwas zu sagen. Christian: Ja genau. Also alles ohne Regeln. Wir hatten uns einfach gedacht, wenn wir jetzt Adwords schalten wie alle anderen, dann sind wir immer noch nicht besser als alle anderen. Wir müssen halt irgendetwas anderes machen und das hat geholfen, dass wir da eben in dieser Bude waren und uns gegenseitig mit neuen Ideen gechallenged haben und Dinge einfach mal gemacht haben. Marcus: Ja, ich meine genau das ist der Knackpunkt bei vielen Leuten. Ich habe es jetzt gerade mit meinem LifeHackz auch wieder gemerkt. Ich kann das den Leuten gut erklären, wie es in der Theorie funktioniert. Bei uns hat es ja auch bei anderen Projekten immer ganz gut funktioniert und hier stand ich mir irgendwann wieder selber im Weg und wollte es zu perfekt machen und bin dann nicht rausgegangen damit. Wie kommt man in dieses Feld, dass man den totalen Freestyle im Kopf hat und sagt: Ey, ich schieß jetzt überall drauf, was geht und irgendwo bleibt etwas hängen. Christian: Ich gehe bei so etwas mit einer gewissen Naivität heran. Was kann im schlimmsten Fall passieren, wenn es nicht klappt? Okay, am Ende kauft es keiner, das ist so vielleicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist, man macht sich zum Clown mit Aktionen. Aber dafür sind wir alle glaube ich nicht prominent genug. Marcus: Aber man hat ja in seinem Kopf immer krassere Worst-Case-Szenarien. Dass die Leute Dich auslachen oder keine Ahnung, Du kennst ja auch dieses Wort „Existenzangst“. Und das heißt ja, man existiert nicht mehr und dazu bedarf es ja, dass Du kein Geld mehr hast, um Dir Essen zu kaufen oder keine Wohnung mehr hast, um zu schlafen und dann irgendwann stirbst. Das ist ja eigentlich eine Existenzangst. Christian: Ja genau. Und da geht es uns in Deutschland ja relativ gut. Es gibt ja so etwas wie das Arbeitslosengeld. Und selbst danach gibt es noch Lösungen. Die sind dann nicht mehr schön, aber zumindest das Arbeitslosengeld sollte jeder Gründer auch mal bewusst einkalkulieren in seine Planung. Ich glaube man muss da drüber stehen, über den Meinungen von Anderen. Wenn man immer darauf wartet, dass man es allen recht macht, dann wird man tatsächlich nie machen, weil man wird es auch nie allen recht machen. Es gibt immer Leute, die sind Zweifler und man selbst ist dann vielleicht der Spinner. Ich habe das meinen Eltern auch nur schwierig erklären können, warum ich jetzt meinen sicheren Job bei OTTO kündige, wo meine Perspektiven geblüht haben und ich mich dafür in irgendetwas stürze, wo man überhaupt nicht weiß, was dabei später herauskommt. Heute, ein paar Jahre später, kann man natürlich sagen, es ist alles gutgegangen. Aber ich habe auch schon zu den drei Projekten, die jetzt gut klappen, schon fünf oder zehn Projekte gemacht, die halt nicht so gut geklappt haben. Das ist halt etwas, was man sich einfach mal trauen muss. Einfach mal Dinge zu machen und eine gewisse Weile dranzubleiben. Rumdrehen, wenn es nicht funktioniert. Ich glaube, wenn man es nicht probiert, dann hat man es halt auch nicht probiert. Und ich würde mich immer viel, viel mehr ärgern, wenn ich irgendetwas nicht probiert habe, als dass ich es probiert habe und am Ende weiß, dass es nicht funktioniert hat. Marcus: Aber es ist immer wieder krass zu sehen, wenn wir reisen oder unterwegs sind, oder auch zum Beispiel mit der amerikanischen Szene in Kontakt sind. Jetzt auf dem Event von Dynomite Circle in Barcelona wo wir waren. Wie selbstbewusst die Amis da rausgehen. Für die ist es auch ganz natürlich, dass sie Schulden machen. Dass sie ihre Kreditkarten aufbrauchen. Dann bestellen sie sich eben noch eine Kreditkarte. Das gehört eben so zum Unternehmertum und Bootstrappen dazu. Und der Deutsche hat irgendwie Angst sein Gesicht zu verlieren und Arbeitslosengeld ist für viele ja schon so, als ob sie sterben müssten. Christian: Ja, Gesicht verlieren und Schulden machen sind noch mal zwei ganz verschiedene Sachen. Das Gesicht verlieren passiert nicht. Ich glaube auch mittlerweile hat Deutschland eine recht gute Gründerkultur, wo zumindest der Versuch einer Selbstständigkeit anerkannt wird. Auch in der breiten Gesellschaft. Auch von Leuten, die ein Angestelltenverhältnis haben. Marcus: Meinst Du? Christian: Ja, besser als noch vor vielen Jahren. Wo es auch damals noch normal war, über Jahrzehnte bei einem Arbeitgeber zu bleiben. Heute wird es zumindest schon einmal akzeptiert, dass man den Arbeitgeber wechselt, weil das halt auch eben so ist. Das ist jetzt zumindest mein Umfeld. Ich habe da vielleicht auch viele Menschen in meinem Umfeld sensibilisiert und bin jetzt in einer Community, die relativ viel gründet. Das mag schon sein. Aber ich nehme es jetzt zumindest nicht mehr so wahr, dass Leute mit sehr viel Skepsis kommen, sondern ob ich Kaffee mache; meine Freundin hat jetzt einen Surf-Blog gestartet. Das sind alles Sachen, da sagen die Leute erst mal: Cool! Viel Erfolg! Wenn es am Ende nicht geklappt hat, dann hat es eben nicht geklappt. Aber da sagt jetzt keiner: Oh, hast Du Dir das gut überlegt? Und wie willst Du damit Geld verdienen? Das sind halt Fragen, die stelle ich mir eher. Marcus: Wie heißt der Blog? Christian: Meerdavon.com Marcus: Ich glaube, das hängt auch sehr vom Umfeld ab, wie Du schon sagtest, mit dem man sich umgibt. Nur jetzt für uns, nachdem wir so reingewachsen sind, Feli und ich, ist es natürlich leicht. Wir haben jetzt ein richtig cooles Netzwerk, die uns supporten und das gut finden und die einen positiven Einfluss auf uns haben. Aber wenn Du bei null startest – ich habe das ja selber miterlebt – ist es glaube ich richtig schwierig, in das richtige Mindset zu kommen. Das ist eine riesen Herausforderung. Klar, man kann viel lesen und man kann die Blogs lesen von den Leuten, die schon einen Schritt weiter sind und so. Aber es ist immer noch hart. Aber ganz ehrlich: Als ich noch in Düsseldorf gewesen bin und für Stepstone gearbeitet habe, hätte ich mich nie getraut, mich selbstständig zu machen oder eine eigene Company zu gründen und zu sagen, ich starte etwas Eigenes. Dann bin ich nach Berlin gekommen und ab dann war es eigentlich so klar für mich. Zuletzt, nachdem ich dann ein oder zwei Jahre mit Startups zusammengearbeitet habe und gesehen habe, wie die arbeiten und wie das überhaupt alles funktioniert und was die für Skills haben und was ich für Skills habe. Da gab es eigentlich gar keinen anderen Weg mehr, als dass ich mich auch selbstständig mache. Christian: Ich glaube, was vielen Menschen im Weg steht, die jetzt in einem Angestelltenverhältnis sind und da vielleicht über Jahre auch ein persönliches Leben aufgebaut haben, ist das Problem, dass der Anspruch sich selbst gegenüber viel zu hoch ist. Zum Beispiel: Man hat sich ein tolles Haus gekauft; man hat ein tolles Auto; man hat viel Platz; man hat Gartenmöbel; man hat einen Rasenmäher und all so Dinge, die man vielleicht gar nicht braucht. Das fällt den Menschen vielleicht irgendwann auf, dass sie diese Dinge nicht brauchen, aber auf der anderen Seite hindert es sie auch daran, etwas Neues zu starten. Weil dieser Lebensstandard ab einem gewissen Alter einfach viel zu hoch ist. Ich verstehe das, wenn jemand sagt, ich brauche 8.000,00 € - um mal eine Zahl zu nennen – um meinen Mindeststandard zu halten, weil ich vielleicht auch zwei Kinder habe; vielleicht auch meine Haushypothek abzahlen muss. Klar wird es echt schwer, so Gründer zu sein, weil man es am Anfang sicherlich nicht wegen dem Geld macht. Und ich glaube, sobald man sich selbst klarmacht, worum es eigentlich geht im Leben und was man eigentlich braucht – das ist jetzt bei mir nicht ganz so extrem wie bei euch – aber ich baue seit Jahren meine Wohnung ab, indem wir halt Sachen verkaufen, wenn ich zum Flohmarkt gehe und diese loswerde. Bei mir steht auch ständig etwas bei Ebay Kleinanzeigen drin. Und alle, die mir etwas schenken wollen, gerade auch zum Geburtstag, denen sage ich: schenkt mir lieber nichts, was ich irgendwo hinstelle, sondern etwas, was ich trinken, essen oder sonst irgendwie verbrauchen kann. Marcus: Ich weiß, wie hart und steinig der Weg ist. Christian: Ich glaube, wenn man sich frei von diesen Besitztümern macht und frei von dem, was man denkt, was man eigentlich braucht um glücklich zu sein, dann kommt man irgendwann in dieses, wo man sagt: vielleicht brauche ich ja auch viel weniger und ja ich probiere es einfach mal. Marcus: Ja absolut und so war es auch bei uns. Christian: Ich habe gelernt, mit total wenig zu leben und auch heute zahle ich mir relativ wenig Gehalt aus. Ich würde in jedem Konzern wahrscheinlich deutlich mehr verdienen. Alles was ich darüber habe, das investiere ich lieber in andere Sachen. Das ist eben so meine Art, meinen Lifestyle aufzubauen. Marcus: Ja, wenn Du da nicht mehr so viele Verpflichtungen, Verträge, Hypotheken und Schulden am Laufen hast, dann bleibt auch mehr Geld am Ende des Tages übrig, was man dann wieder verwenden kann für nichtmaterielle Dinge. Im Grunde investierst Du dann ja mehr in Dich und in Deine Zukunft, als wenn Du nur in Konsum oder so etwas investierst. Der ist ja vergänglich. Aber wenn Du Dich weiterbildest oder Dein nächstes Projekt hast oder irgendwelche coolen Sachen mit Deinem Geld anstellst, dann geht es ja auch weiter. Christian: Das stimmt. Es geht nicht darum, von total wenig zu leben. Es geht aber darum, die Dinge bewusster zu konsumieren und Dinge bewusster zu tun und bewusster einzukaufen. Wenn jemand ein Auto braucht, dann verstehe ich das, weil er vielleicht auch auf dem Land wohnt. Aber ob es dann unbedingt der beste 5-er BMW sein muss oder ob es nicht vielleicht auch ein Corsa tut, das ist die Frage, die muss sich dann jeder selber noch einmal beantworten. Marcus: Die muss er für sich selber beantworten und dann auch entscheiden: Was will ich eigentlich im Leben? Wie bei allen anderen Dingen muss man schon, gerade auch in unserem Lifestyle bei dem ortsunabhängigen Arbeiten und bei den digitalen Nomaden. Da steht 100% commited sein dazu und dann auch All-In gehen. Da kann man dann nicht irgendwie seinen BMW vor der Türe stehen haben und noch Sky Fußball-Abo laufen haben auf seinem fettesten Flat Screen, nur damit der größer ist als der Nachbar. Christian: Ja das stimmt. Marcus: Du sagtest eben, Du surfst auch gerne und Deine Freundin hat gerade einen Surf-Blog gestartet. Wie bist Du zum Surfen gekommen? Christian: Vor fünf Jahren hat meine Freundin zum ersten Mal gesagt: Lass uns doch mal surfen gehen. Und ich wollte das schon immer mal machen und weil mein Bruder mal vor zehn Jahren in Australien surfen war und davon tolles erzählt hat. Diesen Lifestyle rund um die Marken Billabong, Quicksilver und so, den fand ich schon immer toll. Und dann haben wir vor fünf Jahren in Portugal das erste Mal gesurft, oder vor vier Jahren war es glaube ich. Und wir haben uns die Füße aufgerissen und Seeigel in den Füßen gehabt und Bretter am Kopf gehabt und es war trotzdem so ein geiles Gefühl auf dieser Welle zu sein und wenn auch erst mal nur mitgeschliffen zu werden. Und da sind wir irgendwie dran geblieben. Und seitdem planen wir unsere Urlaube und Reisen ums Surfen herum. Mittlerweile sogar so extrem, dass wir, selbst wenn wir mal drei oder vier Wochen in Sri Lanka sind, vielleicht mal ein paar Tage Hinterland einplanen. Aber der Rest ist eigentlich immer Surfen. Marcus: Immer am Strand, immer am Meer. Christian: Genau. Immer am Meer, immer am Spot. So machen wir das auch in Bali jetzt zum Beispiel wieder. Halt hinfahren, Surfen, Surfen, Surfen, vielleicht mal irgendwie woanders hin, aber das ist eigentlich so das Ziel. Wir stehen da total auf diesen Sport. Das ist ja auch ein krasser Sport. Marcus: Ja absolut, das ist auch mega anstrengend. Christian: Aber auch auf diesen Lifestyle der dazugehört. Was ganz viel mit Entspannen zu tun hat und die Ruhe genießen. Wir finden das total toll. Mittlerweile gehen wir so zwei, drei mal im Jahr. Manchmal auch vier mal im Jahr, da gehen wir halt surfen. Und wir arbeiten auch daran, dass es noch mehr wird. Marcus: Cool, das klingt gut. Und was mich an den ganzen Wasserelementen fasziniert ist – wir machen ja gerne Kitesurfen und versuchen da auch gerade besser zu werden, hab auch mal surfen ausprobiert auf Bali, das war mir aber zu anstrengend – dass man das nicht so abschätzen kann. Du kannst nicht beeinflussen, wann die nächste große Welle kommt und ob der Wind gut genug ist, um Deinen Kite zu starten und welchen Kite Du nehmen musst, um da rausgehen zu können. Dass man sich selbst noch einmal bewusst macht, was für eine kleine Nummer man hier eigentlich ist, auf der ganzen Welt. Du sagtest eben, dass Du die Firma FastBill mit René zusammen gebootstrapped hast? Christian: Genau. Marcus: Was ist Deiner Meinung nach der Grund, dass es in Deutschland immer noch relativ wenig Aufmerksamkeit für diese gebootstrappten Unternehmen gibt und dann die Unternehmen, die fett die Kohle verbrennen, abgefeiert werden? Christian: Ja ich glaube, viel Geld klingt immer sensationell auf andere, die die Bild-Zeitung-Mentalität haben. Wenn man große Zahlen hat, dann gucken einfach mehr Leute hin. Wie viel diese Unternehmen dann tatsächlich haben oder sogar verbrennen, das ist vielleicht auch wieder eine Sensation. Also hört man auch dahin. Diese Wertschätzung für echtes Unternehmertum für „ich tue etwas und dafür bekomme ich etwas zurück, verdiene etwas und das investiere ich neu“, wenn man das von außen betrachtet, da ist die Kurve einfach viel flacher und deswegen vielleicht einfach nicht so sensationell, wenn man das berichten möchte. Man hört immer gerne extreme Zahlen, man hört gerne Erfolge oder man hört gerne Scheiterer-Stories oder so etwas. Dieses Bootstrapping ist halt so ein bisschen dazwischen. Das hat vielleicht eine langweilige Wirkung. Auf der anderen Seite finde ich, ist Bootstrapping das, was einen echten Unternehmer ausmacht. Wenn er Geld nur investieren kann, wenn er es vorher auch verdient hat, dann ist das einfach eine andere Herangehensweise. Beim Bootstrapping geht es halt darum schnell etwas zu verdienen, sinnvoll und smart zu reinvestieren und beim Venture Capital geht es halt darum natürlich auf der einen Seite Geld zu akquirieren. Das ist auch eine Leistung. Das durchlebe ich ja gerade auch bei dem anderen Startup, das ich mitgegründet habe. Aber hier geht es halt eher darum, breitgefächerter zu denken. Hier geht es darum zu überlegen „wie kann ich Geld ausgeben“ ohne erst mal nachzudenken „wie kann ich Geld verdienen“. Und das ist glaube ich in der Mentalität noch einmal anders. Beim Bootstrappen geht es sehr viel um Kreativität, um Anderssein, um Dinge einfach mal auszuprobieren, vielleicht auch etwas naiv ranzugehen. Beim Venture Capital geht es viel mehr um Struktur, um Abarbeiten von gewissen Dingen, um Marketing, was sich schon bewährt hat und gar nicht so sehr ums Anderssein sondern viel mehr um Fleißarbeit, um das mal so zu nennen. Marcus: Wie Du schon sagtest, eine Headline verkauft sich wahrscheinlich viel besser, wenn da fette Zahlen drin stehen als eine unternehmerische Leistung, die man dann erst mal Leuten erklären muss, die da nicht so in dem Thema sind. Christian: Ich finde aber auch und das will ich noch einmal klar sagen: da gibt es nicht das Bessere oder das Schlechtere. Ich finde sowohl den Weg Bootstrapping gut, ich finde aber auch den Weg VC gut, also Venture Capital. Weil das eben eine andere Art ist, ein Unternehmen aufzubauen und zu gründen. Was halt der Unterschied ist, ist dass verschiedene Bedingungen bei diesen Dingen erfüllt sein müssen. Zum Beispiel braucht man auch bei Venture Capital-Fällen auch eine Möglichkeit viel Geld auszugeben. Das ist ja vielleicht bei einigen Geschäftsmodellen gar nicht möglich sofort irgendwie die Millionen sinnvoll zu verballern. Und dann gibt es Modelle, wie zum Beispiel das Roller-Sharing hier in Hamburg – was gerade gestartet ist. Da muss man erst mal Roller kaufen damit es funktioniert. Also hier macht es fast gar keinen Sinn das aus eigener Tasche zu finanzieren, weil eben viele Kosten aufkommen. Und ich gründe gerade mit recommend.to auch ein neues Startup, wo wir glauben, dass die Voraussetzungen vorliegen. Wo wir jetzt definitiv auf der Suche sind nach Venture Capital und eben nicht den Bootstrapping-Weg gehen wollen. Marcus: Was wollt ihr dann mit dem Geld machen? Christian: Wir wollen es richtig machen. Wir wollen von Anfang an ein kleines Team haben, was sich zum Beispiel auf einem gewissen Niveau um Produktentwicklung, Vermarktung und Design kümmert. Wir wollen es vor allen Dingen in Personen investieren, die sich halt auch mal Vollzeit damit beschäftigen können, beispielsweise nur SEO-Content zu schreiben. Man kann das natürlich so ein bisschen mitmachen und am Wochenende mal mitschreiben oder man macht das ganze bewusst und richtig und Vollzeit. Und dann hat man in einem Jahr vielleicht ganz andere Ergebnisse, als wenn man es auf dem halben Arsch mitmacht. Und das meine ich immer mit richtig machen. Also, es gibt Disziplinen gerade im Marketing, die kosten einfach Zeit und Ressourcen. Und entweder man investiert sie oder man investiert nur ein bisschen und bekommt dann aber auch nur ein bisschen Ergebnisse raus. Marcus: Das heißt, ihr seid jetzt gerade auf der Suche nach einem Engine-Investment? Christian: Ja genau. Wir suchen ein Seed-Investment für recommend.to. Wir haben mittlerweile schon einen Prototypen der läuft. Wir haben eine Firma gegründet und sind jetzt gerade in der Phase, wo wir eben den nächsten Schritt gehen wollen und dafür suchen wir ein Seed-Investment. Marcus: Wie läuft das in der Praxis ab, dass man sagt, ich will jetzt eine Runde machen oder ich brauche Geld? Christian: Also man spricht natürlich mit einigen Investoren, steckt denen Pitch Decks zu und unterhält sich darüber, ob es sich eignet oder nicht. Also Investoren können auch sein: Kleine Investoren, Angels, können VCs sein, können Inkubatoren sein. Da gibt es ja mittlerweile ausreichend Verzeichnisse. Und ansonsten ganz viel Netzwerk natürlich. Was man natürlich braucht ist ein Pitch Deck und eine Weiterentwicklung dieses Pitch Decks. Marcus: Was genau ist so ein Pitch Deck? Christian: Ein Pitch Deck ist die Beschreibung Deines Vorhabens. Da steht drin, was wir machen; wer wir sind; warum wir das machen; was glauben wir, wo die Reise hingehen kann, also in Sachen von Wachstum. Da steht drin, was wir als nächstes machen wollen und wo die Vision am Ende ist. Und vielleicht noch Produktfolien von dem was wir schon haben. Marcus: Und was ganz wichtig ist für Investoren: Da stehen auch Zahlen drin. Christian: Ja absolut. Da stehen Zahlen drin. Was wir glauben, was wir brauchen. Da stehen Zahlen drin von was wir glauben, wohin wir wachsen. Also wie viele Nutzer haben wir heute, nächstes und übernächstes Jahr. Wie viel Umsatz machen wir heute, nächstes und übernächstes Jahr. Und was kostet das alles. Also klar, das ist ein möglichst detaillierter Plan über die nächsten drei Jahre mindestens, wo man eine Vorstellung vermitteln kann, wohin die Reise gehen soll. Und je mehr man schon beweisen kann, also in Form von echten Kunden, die es schon nutzen oder echten Wachstumsraten, die schon eingetreten sind, desto besser. Desto valider wird das ganze Pitch Deck und desto höher ist die Chance, dass auch ein Investor mitgeht. Man kann natürlich tolle Szenarien aufmalen auf Papier. Aber wenn überhaupt nichts davon in der echten Welt bewiesen wurde, dann ist es höchstens eine Wette, die ein Investor hier eingeht. Man versucht aber eben mit Ergebnissen, das so gut wie möglich zu validieren und das Risiko zu minimieren. Und irgendwann trifft man sich. Marcus: Und das ist dann das sogenannte Proof of Concept, was Du da gerade beschreibst? Christian: Genau. Also der Proof kann ja auf verschiedenen Eben erbracht werden. Also ein Proof of Concept kann sein, dass einer das Produkt erst mal so benutzt, wie man es sich vorstellt. Das kann aber auch sein, dass man eine Marketing-Maßnahme macht und auch das an Ergebnissen bringt, an was man gedacht hat. Wir zum Beispiel bei recommend.to haben halt ein Empfehlungs-Widget was nachher dargestellt wird. Und in diesem Empfehlungs-Widget ist ein kleiner Link, der nachher zurückgeht auf die recommend.to Seite, wo sich jeder, der das mal gesehen hat, auch so ein Widget erstellen kann – kostenlos. Und jetzt haben wir halt die Annahme, dass ein Teil von diesen Menschen, die dieses Widget sehen, dann auch da drauf klicken und selber das recommend.to benutzen wollen. Da ist allerdings gar keine Zahl dahinter zu legen, solange wir das nicht ausprobiert haben und mal 1000 Leute da drauf geklickt haben. Und dann können wir sagen „aha, jeder Zehnte klickt da drauf und jeder Zehnte baut sich einen Account und baut das selber ein“. Wenn man solche Zahlen hat, dann ist es validiert und kann es dann versuchen zu skalieren. Marcus: Ich glaube, ein Proof of Concept kann aber auch sein, was Rocket Internet gerne macht, wenn es in einem anderen Markt schon mal funktioniert hat und irgendwelche Firmen da sind, die damit Geld verdienen oder? Christian: Ja, das ist auch immer gut, wenn man das Rad nicht ganz neu erfindet. Das läuft auch bei uns so. Wir erfinden Empfehlungsmarketing nicht neu, wir machen es halt nur ein bisschen einfacher und ein bisschen schlauer also bisherige Lösungen. Aber es muss auch nicht immer so sein, dass ein anderer Markt schon zeigt, dass es funktioniert. Weil wir zum Beispiel in Brasilien mit FastBill jetzt gerade, da ist Buchhaltung einfach komplett etwas anderes als es in Deutschland ist. Und wir haben da quasi ein Produkt, das sieht zwar so ähnlich aus wie FastBill, aber das hat mit dem Deutschen schon fast gar nichts mehr zu tun. Und das sind dann halt schon Unterschiede. Aber was immer schon gut ist, ist wenn ein, zwei Player schon im Markt sind. Wenn also da schon bewiesen wurde, dass so etwas grundsätzlich funktioniert und man versucht halt jetzt, es etwas besser und anders zu machen, sodass man am Ende vielleicht doch noch die Nummer 1 wird. Man muss nicht immer der Erste im Markt sein. Marcus: Nee, das haben ja auch schon Sachen wie Facebook oder Google gezeigt. Christian: Genau. Marcus: Und wie viele Anteile gibt man dann in der Regel ab? Christian: Ich glaube, das ist eine Frage, die kann man so pauschal gar nicht beantworten. Am Ende ist so eine Bewertung, gerade in der ganz frühen Phase, super schwierig. Was ich immer denke, da gibt es so zwei, drei Faustformeln, ist, dass das operative Gründerteam, also die, die das dann den ganzen Tag Vollzeit machen, wenn es dann soweit ist, auf jeden Fall die Mehrheit im Unternehmen halten. Also 51%. Ein Investor sollte nicht über 25,1% gehen, weil er damit eine Sperrminorität hat und jede andere Entscheidung quasi blockieren könnte. Das wären so die zwei Faustregeln. Ansonsten ist es halt je später es wird, desto mehr Wert ist die Firma und desto geringer sind die Shares, die man für Geld abgibt. Am Ende muss man sich auch hier noch treffen. Es gibt so Inkubator Investoren, die bieten halt so Pauschal-Deals an. Zum Beispiel 10% für 100.000,00 €. Andere bieten 10% für 50.000,00 € an. Andere bieten halt viel mehr an. Investoren bieten noch viel mehr an. Aber am Ende ist es so viel Wert, wie jemand bereit ist, dafür zu zahlen. Marcus: Wäre es denn für euch eine Option einen Angel Investor mit reinzunehmen, der Knowledge, Know-how oder vielleicht durch eigene Arbeit Anteile bekommt? Christian: Ich glaube, das ist im Moment keine Option für uns, da wir halt schon ein Team haben und relativ viel Expertise drin haben. Da René und ich zum Beispiel as FastBill-Sicht hier viel zu beisteuern können und die anderen beide auch schon viel Erfahrung haben und ein Netzwerk mitbringen. Was wir letztendlich brauchen ist Zeit und die muss in Form von Gehalt bezahlt werden. Das ist das, was wir halt jetzt brauchen. Worüber man zusätzlich sprechen könnte, sind zum Beispiel Equity Deals, Media für Equity Deals, wo man also kein Geld bekommt sondern eben eine Advertising-Fläche, die man nutzen kann. Aber auch hier muss ganz klar geschaut werden, ist das die Zielgruppe, die man da erreicht und funktioniert das oder eben nicht. Geld ist auf jeden Fall wichtig, sonst geht es gar nicht. Marcus: Ja, jetzt sind wir ein bisschen tiefer in diese ganze Startup Szene und Investing und Founding eingestiegen, aber ich glaube, das ist auch für andere spannend, die da noch nicht so tief drin sind. Wenn man das jetzt alles so von Dir hört, Deinen Werdegang und wie viel Du schon gegründet hast und was Du jetzt gerade so machst und wo Du stehst, könnte man meinen, Du hast an einer krassen Elite-Uni studiert und vorher nur Einsen geschrieben und der Weg war mehr oder weniger so vorgezeichnet. Ist das der Fall? Christian: Also ich habe mein Abi von 3,4 an einer Dorfschule im Rheinland gemacht. Marcus: (lacht) Da war ich ja sogar besser! Christian: Ich habe BWL in Sachsen, in Freiberg, studiert. Das ist ein kleines 50.000 Einwohner Dorf. Marcus: Weil Dein Abi zu schlecht war? Christian: Weil mein Abi zu schlecht war, um in Köln oder sonst wo zu studieren. Und da habe ich mein Vordiplom mit 3,3 oder 3,2 abgeschlossen. Dann habe ich allerdings die Möglichkeit genutzt und an einem Doppeldiplom-Programm von meiner Uni teilgenommen, in Budapest an der amerikanischen Hochschule. Und da habe ich tatsächlich ein MBA gemacht. Also so ein internationales Diplom-Kaufmann-Ding. Das Gute war, dass das ein amerikanisches Bewertungssystem war und der Schnitt war immer wie meines, also eine 2,7. Man musste ich halt nicht gut sein sondern nur besser als die anderen. Wir als Deutsche BWL Studenten hatten da in diesem Studiengang einen unfairen Vorteil, weil das, was wir da gelernt hatten, eigentlich schon drei Monate vorher gelernt hatten. Dadurch waren wir natürlich immer viel besser als die Sprachwissenschaftler und Sozialökonomen, die halt aus den anderen Ländern, wie die Ukraine, Serbien und Russland kamen. Und das hat es dann relativ einfach gemacht. Diese Leistung wurde dann auch in Deutschland angerechnet und ich habe aber am Ende tatsächlich noch ein bisschen Gas gegeben im Studium und meine Diplomarbeit geschrieben. Die wurde dort auch im Uni-Verlag veröffentlicht. So kam es, dass ich am Ende mit einem Doppeldiplom mit Auszeichnung dort rausgegangen bin. Das war dann vielleicht auch das, was mich dann zu meinem ersten Job gebracht hat. Wobei die mich im ersten Job nie danach gefragt hatten. Ich hatte mich ja vor dem Abschluss beworben. Deshalb habe ich mein Hochschulzeugnis glaube ich, noch nie irgendwo vorzeigen müssen. Marcus: Das ging glaube ich bei Dir auf relativ schnell. War das da Dein erster Job in Hamburg? Christian: Ja, ich habe so zwischendurch mal gejobbt oder ein Praktikum gemacht, aber mein erster richtiger Job war dann hier bei OTTO in Hamburg 2007, als ich dann herkam. Marcus: Ja und wenn man sich selbstständig macht, dann brauchst Du eh keine Zeugnisse. Christian: Genau, da hat dann niemand mehr nach gefragt. Und ich glaube, dass dieses Hochschulzeugnis oder ein Diplom ist eine Eintrittskarte für den ersten Job würde ich sagen. Aber alles, was danach kommt, definiert sich hauptsächlich über Berufserfahrung. Also was hat man gemacht, wo, wann und wie. Wenn man da etwas vorweisen kann, dann ist das viel wertvoller als eine Eins auf dem Zeugnis. Marcus: Ja und ich glaube immer mehr Arbeitgeber realisieren das auch, dass es eigentlich viel wichtiger ist, was der im Jetzt und was hat er sich vielleicht in den letzten paar Jahren angeeignet, als was hat er vor zehn Jahren gemacht. Christian: Um vielleicht noch mal Deine Frage zu beantworten: Also keine Eliteuni. Ich komme aus einem ganz normalen Umfeld. Ich habe nie irgendwelche finanziellen Förderungen erhalten. Wir haben uns halt über den Bildungsweg finanziert. In Sachsen kann man allerdings auch ganz günstig studieren, muss man sagen. Ich habe 72,00 € pro Semester an Semestergebühren gezahlt. Das Zimmer im Studentenwohnheim hat 180,00 € gekostet. Da konnte ich prima mit 500,00 € bis 600,00 € leben. Und das war halt so ein Niveau, das habe ich quasi so die ganze Zeit durchgezogen. Hat funktioniert. Marcus: Stimmt, das sollte vielen anderen Mut machen, wenn man so Leute sieht wie Dich und man sich denkt „Krass, da komme ich eh nicht hin und der ganze Weg war schon vorgeplant für die ganzen Menschen.“ Gerade auch bei uns, den ganzen Querdenkern, den Solopreneuren, auch bei den digitalen Nomaden, da gibt es halt sau viele, die Quereinsteiger sind oder irgendetwas abgebrochen haben vorher und einfach nicht mit diesem Korsett von 9 to 5 reingehören. Und das sind eigentlich die, die dann oftmals viel Erfolg haben mit ihrem out-of-the-Box-Denken. Christian: Ja, zumindest ist die Uni nicht immer Schuld daran, dass man erfolgreich wird. Es gibt Elite-Leute, die kaufen sich in ihrem Job ein, indem sie teure Studiengebühren bezahlen und am Ende so halt ihren ersten Beratungsjob bekommen. Aber ob die dann da ewig bleiben ist auch so eine Frage. Ich muss immer schmunzeln, wenn man auf eine Visitenkarte schaut und da „Hochschulde St.-Gallen“, als Titel sozusagen, noch mit drauf steht. Da denke ich mir nur „oh Mann, wenn Du Dich nur darüber definieren kannst, dann bitteschön“. Marcus: Ja für viele ist es wichtig, irgendwelche Titel oder Visitenkarten zu drucken. Am besten noch mit Hologramm und so Geschichten. Christian: Ja, es gibt auch Branchen, da ist das vielleicht auch so gewollt. Ich distanziere mich davon und ich finde, dass es auf andere Dinge ankommt. Und heute zum Beispiel, wenn ich auf Messen bin oder zu Vorträgen gehe, auch in schicken Einrichtungen und namenhaften großen Beratungen. Wenn ich dahin gehe und Vorträge halte, da bin ich der einzige, der eine College-Jacke und ein T-Shirt anhat mit einem lustigen Spruch drauf. Die anderen tragen dunkle Anzüge. Marcus: Was für ein Spruch steht dann so bei Dir auf dem T-Shirt? Christian: Also, ich hatte die letzten Jahre immer ein T-Shirt mit dem Spruch „Chuck Norris braucht kein Büro“. Das war so meine Botschaft, weil wir ja mit FastBill ein Tool haben wollen, wo man mobil arbeiten und seinen Papierkram unterwegs bearbeiten kann. Mittlerweile steht drauf „Billing me softly“ oder „Smells like Teamspirit“. Wir gehen hier halt so ein bisschen in die Rockstyle-Ebene. Marcus: Ja, und dann immer ein Rockstar-Zeichen von der Hand. Krass! Christian: Ja, da werden wir demnächst auch eine ganze Kollektion rausbringen mit genau solchen Sprüchen. Die kann man dann auch erwerben, wenn man nicht bei FastBill arbeitet. Marcus: Cool, weil mich haben schon sau viele angesprochen, die Dich dann auf der DNX gesehen hatten auf den Fotos und die dann gesagt haben „Wie cool ist das denn? Kann man das irgendwie kaufen?“ Und was manche dann auch gedacht haben, war ob ihr da eine fette Kreativ-Agentur habt, oder wie kommt man da auf so Sprüche? Christian: Ja, wir haben tatsächlich eine Kreativ-Agentur. Das war ein Luxus, den wir dann in der späteren Unternehmensphase machen. Wir haben selber aber nur beschränkte Fähigkeiten, was die Kreativarbeit angeht. Was okay ist. Also habe ich angefangen das Thema auszulagern. Jetzt haben wir sowohl zum Beispiel die Gestaltung der Website von FastBill selbst, also die Applikationen, als auch das Drum-herum, da haben wir mittlerweile einen Modus gefunden, wo wir uns gegenseitig challengen und die arbeiten dann immer so tolle Sachen aus. Und da kommen dann so Sprüche raus. Marcus: Das ist cool. Das ist auf jeden Fall ein totaler Eye-Catcher. Auf der letzten DNX hast Du ja auch dafür plediert, dass man jede Werbefläche, die man hat, auch nutzen sollte. Christian: Der eigene Körper ist halt die günstigste Werbefläche. Ich habe gesagt, dass wer als Gründer kein T-Shirt mit der eigenen Marke drauf trägt, der macht ja einen grob fahrlässigen Fehler. Das geht nicht. Und witzigerweise haben die mich dann nach DNX viele Fotos erreicht von welchen, die mir dann ihre T-Shirts gezeigt haben. Super super witzig! Also es wurde verstanden und auch von vielen aufgenommen. Wir haben bei recommend.to sogar noch einen mit draufgesetzt und haben das Bedrucken der T-Shirts als solches als Guerilla-Aktion gemacht. Wir haben uns hier in den Hamburger Hafen gestellt und haben uns selber einen Siebdruck anfertigen lassen mit dem Spruch „I am a lover, not a liker“ und haben dann halt von wildfremden Menschen diese Klamotten bedruckt. Wir hatten aber auch T-Shirts dabei und haben vorher Leute eingeladen, die vorbeikommen und halt Live-Printing miterleben. Und das witzige ist, wir verkaufen da auch schon T-Shirts. Quasi per Hand gedruckt und die zahlen da 20,00 € für. Also das ist schon fast ein Finanzierungsmodell für die erste Phase. Marcus: Auf jeden Fall! Die zahlen da 20,00 € für und ihr habt noch eine zweite Werbefläche. Christian: Ja und diese Aktion als solche kann man auch wieder prima vermarkten und die T-Shirts fallen natürlich auch auf. Man wird darauf angesprochen „Warum bist Du denn ein Lover und kein Liker?“ Und die wollen dann halt ins Gespräch kommen. Und genau das ist halt das Wichtigste, dass man halt mit so einem Spruch im Kopf der Menschen bleibt. Also würde ich jetzt noch einmal neu einen Aufruf machen zu den T-Shirts, dann wäre meine Botschaft: Druck nicht nur ein Logo einer Firma, sondern druckt irgendetwas drauf, was im Kopf bleibt. Marcus: Ja oder etwas, was die Leute dann auch dazu bringt, das zu tragen. Ich meine nur das Logo, da brauchst Du schon eine
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